
Das Performance-Video "Opaque" von Pauline Boudry und Renate Lorenz fordert das Recht auf Undurchsichtigkeit ein.
Wien – Die politische Forderung nach Transparenz war eigentlich von unten nach oben gedacht. Durchgesetzt hat sie sich in umgekehrter Richtung: Niemand ist heute durchsichtiger als die unter Bezeichnungen wie "Konsumenten" – oder listiger: "Nutzer" – oder "Bevölkerung" Zusammengefassten. Im Gegensatz dazu bleiben die Sphären jener, die von den Durchleuchteten profitieren, überwiegend im Dunkeln.
Das Aufbegehren gegen diese Umkehrung wächst. Es ist auch Thema in dem von Maria Lind, der Leiterin der Stockholmer Tensta Konsthall, für die Vienna Biennale kuratierten Projekt Future Light. Im Mak als Ausstellung mit dem Titel Escaping Transparency und in der Kunsthalle Wien als Installation Loving, Repeating von Pauline Boudry und Renate Lorenz.
Drei kurze Performancevideos aus den Jahren 2012 bis 2014 genügen, um Boudrys und Lorenz' queere Positionen glasklar darzustellen. In Toxic mischen eine Punkfigur und eine Dragqueen Glitter und Gift zusammen. Dabei werden zwei Ziele deutlich: Widerstand gegen Normierungen und Kritik an Entblößungen durch Kontrollmedien. Bei Opaque verwischen sich Freund- und Feindbilder zur Forderung nach einem Recht auf Undurchsichtigkeit. Und in der musikalischen Performance-Komposition To Valerie Solanas and Marilyn Monroe in Recognition of Their Desparation geht es um Gleichverteilung von Macht und um den Vorschlag, aus queeren Beziehungsnetzen einen gesellschaftlichen Zukunftsplan wachsen zu lassen.
Das wirkt gut – wenn Queerness nicht zu sehr auf jenen Fummelfasching reduziert wird, der bereits bis zur eindeutigen Identifizierbarkeit in den Mainstream eingeflossen ist. Boudrys und Lorenz' Videos sind jedenfalls trotz dominierendem Verkleidungsfetischismus in ihrer perfekt designten Installation trickreich genug gebaut, um noch ein wenig zu verunsichern.
Ein paar schärfere Statements hat Maria Lind in Escaping Transparency eingebaut. Die Ausstellung selbst ähnelt zwar auf den ersten Blick einer wirren Wunderkammer aus Arbeiten von sehr unterschiedlicher Qualität und Dringlichkeit. Wer da einfach durchhirscht, ist schon verloren. Wer sich allerdings Zeit lässt, kann einige sehr schöne Entdeckungen machen.
Besonders gelungen sind Tom Holerts kleine Installation The Labours of Shine und das Video Four Studies of Oslo and New York von Ane Hjort Guttu. Holert baut aus zwei synchron ablaufenden Videos und einer alten Schuhputzerbox mit poliertem Metallaufsatz einen Essay über die Politik des Schimmerns und des Glänzens. Darin spielen unter anderem Constantin Brancusis polierte Skulptur Princess X, die Prinzessin und Psychoanalytikerin Marie Bonaparte, die feministische Dichterin Mina Loy und Walter Harts Film Shoe Shine Boy die wesentlichen Diskursfiguren.
Auch in Four Studies of Oslo and New York geht es um Lichteffekte. Wer in einer Stadt sonnig wohnt, lebt auf der Butterseite. Und in gleißenden Glasbauten spiegelt sich Macht – Zitat: wie von jemandem, "der sich herabbeugt und uns mit glänzenden Fassaden in die Augen blickt". Eine sehr einleuchtende Arbeit. (Helmut Ploebst, 14.9.2015)