Wie sehr sich die Ereignisse in der Asylkrise derzeit überschlagen, wurde auch in Brüssel sichtbar. Beamte der EU-Kommission erklärten noch am Montagvormittag, dass derzeit nur Deutschland Grenzkontrollen wiedereingeführt habe – während gleichzeitig über den Kurznachrichtendienst Twitter schon vermeldet wurde, dass eine ganze Reihe von Staaten wieder kontrollieren lasse.

Der EU-Kommission selbst blieb nichts anderes übrig, als die temporäre Wiedereinführung der Grenzkontrollen zur Kenntnis zu nehmen. Die Personenfreizügigkeit in Europa gründet auf dem 1985 geschlossenen Schengener Abkommen zwischen Deutschland, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg. Inzwischen regelt eine EU-Verordnung das System der offenen Grenzen. Länder können demnach bei einer "schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit" vorübergehende Kontrollen wiedereinführen. Die Kommission muss informiert werden, ihre Zustimmung ist nicht notwendig.

Schengen-Aussetzung laut EU-Kommission rechtmäßig

Laut der Kommission, die über die Regeleinhaltung wacht, handle Deutschland – und damit wohl auch die übrigen Länder – rechtmäßig. Der unkontrollierte Zustrom tausender Asylwerber sei als Bedrohung für die innere Ordnung zu werten. Maximal zwei Monate dürfen die Kontrollen dauern. Jedes Land ist verpflichtet, auch auf Auswirkungen in anderen Staaten zu achten.

Dass kontrolliert wird, ist keine Seltenheit: Seit 1985 wurde Schengen 37-mal ausgesetzt. Allerdings geschah dies fast nie aufgrund einer akuten Bedrohung, sondern fast immer bei Großereignissen – wie etwa in Österreich aus Anlass der Europameisterschaft 2008. Da nun gleich mehrere Länder Notmaßnahmen ergreifen, ist die große Frage, ob ein Dominoeffekt in Gang kommt, das Schengen-System also völlig kollabiert. Seitens der EU-Kommission hält man solche "Untergangsszenarien", wie es hieß, für nicht realistisch. (szi, 14.9.2015)