• Innenminister erreichten nur einen Minimalkonsens. Konkret werden etwas mehr als 32.000 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien in andere EU-Staaten übersiedeln.
  • Bis zuletzt wurde um eine grundsätzliche gemeinsame politische Erklärung über die Aufteilung von 160.000 Asylsuchenden in der EU gerungen. Die EU-Kommission hatte ursprünglich gefordert, dass 160.000 Flüchtlinge mittels Quoten in der Union aufgeteilt werden.
  • Nicht einmal die Grundsatzerklärung kam einstimmig zustande, die Visegrád-Staaten und baltischen Länder verweigerten sich auch dieser.
  • Nachdem Deutschland am Sonntag die Einführung von Grenzkontrollen bekanntgegeben hatte, zogen die Slowakei, Tschechien und die Niederlande am Montag nach.
  • Die österreichische Regierung beschloss einen Assistenzeinsatz des Bundesheeres von bis zu 2200 Soldaten. Ungarn gab Montagnachmittag bekannt, dass der Zaun zu Serbien fertig ist.

Die eindringlichsten Worte kamen vom luxemburgischen Migrationsminister und aktuellen EU-Ratsvorsitzenden Jean Asselborn. Die EU müsse eine gemeinsame Antwort auf die Asylkrise finden, denn "wenn wir heute keine Entscheidungen treffen, ist Chaos die Folge", sagte Asselborn am Montag vor dem Beginn eines Sondertreffens der EU-Innenminister in Brüssel.

Nimmt man diese Worte als Messlatte, sind die Aussichten für die Union düster. Denn die Innenminister konnten in Brüssel nur einen Minimalkonsens erreichen. Konkret werden etwas mehr als 32.000 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien auf andere EU-Staaten aufgeteilt. Für weitere 8000 konnte bisher kein Platz gefunden werden – bis Dezember soll sich das aber ändern.

Das Verteilungsystem gilt für Flüchtlinge, die zwischen August 2015 und September 2017 in den genannten Ländern ankommen.

Verteilung bleibt weit hinter Junckers Plan zurück

Die Staaten konnten sich damit zu deutlich weniger durchringen als der Verteilung von 160.000 Asylwerbern, die die EU-Kommission gefordert hatte. Die Verteilung der 40.000 Menschen hatte die Brüsseler Behörde bereits im Mai vorgeschlagen. Vergangene Woche erweiterte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dann diesen Plan. Er schlug die Aufnahme von zusätzlich 120.000 Menschen vor, neben Italien und Griechenland sollte davon besonders Ungarn profitieren.

Deutschland – aber auch Österreich – hoffen, dass diese Notmaßnahmen die Balkanroute entlasten. Diese führt über Griechenland, Mazedonien Serbien und Ungarn nach Österreich und Deutschland. Allein aus Ungarn sollen nach den EU-Plänen 54.000 Asylwerber in andere EU-Staaten übersiedeln.

Allerdings legten sich in Brüssel eine Reihe osteuropäischer Staaten gegen die Aufnahme weiterer Flüchtlinge quer. Widerstand kommt aus Polen, Ungarn, der Slowakei und Tschechien, aber auch aus dem Baltikum.

Keine einstimmige Grundsatzerklärung

Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière sagte nach Ende der Verhandlungen, dass es nicht gelungen sei, von den übrigen EU-Staaten fixe Zusagen für die Aufnahme von mehr Asylwerbern zu bekommen, es also nur eine politische Grundsatzerklärung abseits der 32.000 gebe.

Und sogar diese Erklärung kam nicht einstimmig zustande: In einem extrem ungewöhnlichen Schritt wurden die Länder aus Osteuropa von den übrigen Staaten überstimmt. "Einige Länder fühlen sich der solidarischen Verantwortung nicht verpflichtet", so de Maizière enttäuscht.

Aus Sicht der Kommission wird die Liste mit ungelösten Problemen damit länger. Denn längst geht es nicht mehr "nur" um die Aufteilung von Flüchtlingen. Nachdem am Montag ein Land nach dem anderen im Alleingang mit Grenzkontrollen begann oder diese ankündigte, schien plötzlich das Schengen-System der offenen Grenzen auf dem Spiel zu stehen.

Kontrollen an den Grenzen

Nach Deutschland und Österreich kündigten auch die Niederlande vorübergehende Kontrollen an. Auch Polen zeigte sich dazu bereit. Die slowakische Regierung entsandte Polizeieinheiten in Richtung Grenze, obwohl Innenminister Robert Kaliňák in Brüssel betonte, dass man vorerst keine systematischen Kontrollen durchführen werde. Sogar der französische Innenminister Bernard Cazeneuve sagte, dass er sich vorstellen könne, Grenzkontrollen zu Italien einzuführen.

Deutschland hatte im Vorfeld des EU-Treffens signalisiert, dass eine schnelle Umsetzung des von der EU-Kommission geforderten Quotensystems die Rückkehr zur Normalität an den Grenzen erleichtern würde. Geholfen hat dieses Argument vorerst offenbar aber nicht.

Wobei die Union immerhin in einigen anderen Detailfragen Fortschritte erzielen konnte: So haben sich die Innenminister auf eine gemeinsame Liste mit sicheren Herkunftsstaaten verständigen können – bisher konnte jeder Staat solche Listen selbst erstellen.

Türkei nicht auf Liste sicherer Herkunftsstaaten

Staatsbürger aus sicheren Herkunftsländern können in der EU zwar weiterhin Asyl beantragen, haben real aber kaum Chancen. Alle Länder des Westbalkans, also etwa Serbien und Mazedonien, gelten als sicher, nicht aber, wie von der EU-Kommission gewünscht, die Türkei. Hier bestehe weiter Diskussionsbedarf, so der deutsche Innenminister de Maizière. Die Türkei steht wegen Menschenrechtsverletzungen immer wieder im Zentrum der Kritik, und soeben ist der Konflikt mit den Kurden wieder eskaliert.

Ebenfalls geeinigt haben sich die Innenminister auf die Errichtung zusätzlicher Hotspots. Die Hotspots sollen Erstaufnahmezentren sein, von denen Asylwerber auf andere Länder verteilt oder in ihre Heimat zurückgeschoben werden. Derzeit gibt es nur einen Hotspot in Sizilien (Catania), besonders in Griechenland sollen weitere entstehen.

Österreich wird wegen der hohen Zahl an Asylverfahren im Land bei der Verteilung der 32.000 Flüchtlinge nicht mitmachen. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner zeigte sich ebenfalls enttäuscht, dass keine Einigung auf zusätzliche Quoten gelang. Die Verhandlungen sollen Anfang Oktober weitergehen – im Raum steht aber noch immer die Einberufung eines Sondergipfels der EU-Regierungschefs. (András Szigetvari, 14.9.2015)