Es gibt nur wenige Objekte, die Funktionalität, Handwerk, Stil und Design so perfekt in sich vereinen wie Uhren. Bei antiken Zeitmessern kommt jedoch ein weiterer Aspekt hinzu: Sie sind nicht nur begehrte Sammlerstücke, die auf dem Kunstmarkt zu Höchstpreisen gehandelt werden, jeder Einzelne hat auch eine Geschichte. Ab Donnerstag werden bei Lilly's Art Exclusive Antiques in Wien 40 dieser Geschichten erzählt.

Von Kanzel- und Kutschenuhren

Der Einfallreichtum der Uhrmacher scheint dabei keine Grenzen zu kennen. So besteht die seltene "Kanzeluhr" von 1680 aus einer Aneinanderreihung von vier Stundengläsern mit unterschiedlichen Laufzeiten. Der Geistliche konnte so die Länge seiner Predigt von der Kanzel herab im Schein der Altarkerzen abstimmen.

Die "Kanzeluhr"
Foto: Lillys Art/Peter Orginz

In absoluter Finsternis funktionierte hingegen schon die älteste Uhr der Vernissage, eine museale Halsuhr (Augsburg 1620). Ihr durchbrochen gearbeitetes Messinggehäuse ist mit Fühlstiften versehen, wodurch sich die Zeit auch in stockdunkler Nacht ertasten lies.

Die Halsuhr
Foto: Lillys Art/Peter Orginz

Eine technische Revolution ihrer Zeit muss auch die "Kutschenuhr" aus Friedberg gewesen sein. 1750 schuf der berühmte Uhrmacher Josef Spiegel ein Uhrwerk, dem auch Erschütterungen bei der Reise in der Kutsche nichts anhaben konnte. Diese Uhr vermittelte zudem bei Dunkelheit auf der Reise, nach einem Zug an einer Schnur, die Zeit auch akustisch (in Viertelstunden und Stunden) ihrem Besitzer.

Die "Kutschenuhr"
Foto: Lillys Art/Peter Orginz

Doch nicht bei jeder Uhr stand die Zeit im Mittelpunkt. Einige Konstruktionen dienten nur der Unterhaltung. So wie der kleiner "Zappler" von Anton Liszt in Wien aus achtkarätigem Gold oder eine kleine Tischuhr, deren Pendel als ein auf der Stange wippender Vogel ausgeführt ist.

Der kleine "Zappler"
Foto: Lillys Art/Peter Orginz

Uhr mit "Augenwender"

Zu den besonders begehrten Sammelobjekten zählen das circa 35 Zentimeter große Uhrenmännchen "Der Orientale" (Wien um 1815) mit dem kleinen sichtbaren Vorderpendel und der aus Lindenholz gefertigte "Portefaix" (ein farbiger Gepäckträger) aus dem frühen 19. Jahrhundert.

Der "Orientale".
Foto: Lillys Art/Peter Orginz

Das Interesse an fernen Ländern und ihren Kulturen spiegelt die Darstellung eines Häuptlings aus dem Amazonasgebiet wider. Die Skulpturenuhr "Amazonas" (Wien, erstes Viertel des 19. Jahrhunderts) besitzt einen "Augenwender", der mit dem Uhrwerk gekoppelt ist.

Skulpturenuhr "Amazonas" mit "Augenwender".
Foto: Lillys Art/Peter Orginz

Die wertvollste Uhr (58.000 Euro) entstand ebenfalls in Österreich. Die Präzisions-Kommodenuhr "Brändl in Wien" wurde von Anton Brändl zwischen 1788 und 1818 gefertigt. Sie besteht aus einem feuervergoldeten und patinierten Bronzegehäuse, das von vier Delphinen getragen wird. Auch die technische Ausführung ist für die Epoche außergewöhnlich. Das Uhrwerk besitzt ein Temperatur-Kompensationspendel und hat eine Gangdauer von einer Woche.

Die Präzisions-Kommodenuhr "Brändl in Wien".
Foto: Lillys Art/Peter Orginz

Kuratiert wird die Vernissage von Lieselotte Setzer von Lilly's Art. "Insgesamt zeigen wir 40 seltene und kostbare antike Uhren, die zwischen 1600 und 1900 entstanden sind. Ein Schwerpunkt liegt bei den österreichischen Uhren des frühen 19. Jahrhunderts", sagt Setzer.

Bei der Auswahl der Exponate unterstützt wurde Setzer durch den führenden Uhrenexperten Österreichs, den Wiener "Uhrenpapst" Kristian Scheed (kunstexperte.at). "Die Österreichischen Uhrmacher zählten zwischen 1790 und 1845 zu den besten der Welt. Ihre Produkte wurden zu 70 Prozent – teilweise bis nach Kleinasien – exportiert", sagt Scheed. (red, 16.9.2015)