Wien – Der Gipfel am Freitag war groß inszeniert. Die Regierungsspitze und der neue Flüchtlingskoordinator Christian Konrad berieten stundenlang im Kanzleramt, welche Maßnahmen nun zur Integration von Flüchtlingen nötig seien. Mit Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) wurde vereinbart, dass es auch zusätzliche Budgetmittel geben wird. An der Höhe scheiden sich nun aber die Geister.
Unstrittig ist zunächst, dass ein neuer "Topf für Integration" eingerichtet werden soll. Er wird für das Jahr 2016 mit 75 Millionen Euro dotiert und soll vor allem den zusätzlichen Bedarf an Sprachfördermaßnahmen finanzieren.
70 Millionen für Arbeitsmarkt
Ebenfalls vereinbart wurde, dass Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) 70 Millionen Euro für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen bereitstellen soll. Ob es sich dabei um frisches Geld handelt, wird aber von SPÖ und ÖVP unterschiedlich interpretiert. ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner erklärte schon bei der Pressekonferenz am Freitag, das Geld werde aus vorhandenen Mitteln bereitgestellt. Auf Nachfrage des STANDARD erklärte man dann im Sozialministerium, das sei ein Missverständnis, es handle sich doch um frisches Geld.
Im Finanzministerium sieht man die Causa aber wie Mitterlehner, der Hundstorfer-Darstellung wird explizit widersprochen. Bei den Geldern handle es sich um keine zusätzlichen, sondern um bereits budgetierte. Mittel aus dem Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik würden nun auch für Flüchtlinge zur Verfügung gestellt, es gehe also um eine Umschichtung.
"Wir sehen das anders"
"Wir sehen das anders", bleibt man im Hundstorfer-Büro bei der Position vom Freitag. Es handle sich um Gelder aus dem variablen Budget. Aus diesem Topf wird vor allem das Arbeitslosengeld bezahlt, aber auch Förderungen für ältere Arbeitnehmer. Variabel heißt: Fallen die Kosten wegen steigender Arbeitslosigkeit höher aus, ist auch das Budget höher. Gibt es weniger Arbeitslose, ist es niedriger. Zulasten anderer Gruppen werde nichts umgeschichtet, beteuert man im Sozialministerium.
Ein Sprecher räumt aber ein: Die beim Gipfel getroffene Formulierung lasse unterschiedliche Interpretationen zu. Diese Unklarheit müsse nun in den kommenden Wochen ausgeräumt werden. Mitte Oktober wird Schelling nämlich das Budget 2016 im Detail vorlegen.
Mehrkosten gibt es, wie berichtet, nicht nur wegen der Integrationsmaßnahmen. Für die Grundversorgung von Flüchtlingen werden laut Schelling rund 350 Millionen Euro benötigt. In Brüssel wurde daher beantragt, die Mehraufwendungen aus den Defizitregeln der EU herauszurechnen. Die Länder müssten also keine zusätzlichen Sparmaßnahmen im Gegenzug für die erhöhten Kosten durchführen. Der Vorschlag wird nun von der Kommission geprüft. (Günther Oswald, 15.9.2015)