Die dunklen Wolken, die am Dienstag über London lagen, waren eine Einstimmung auf den diesjährigen Jahresbericht des dort ansässigen "International Institute for Strategic Studies" (IISS). Der Ausblick war ebenso düster wie das schlecht beleuchtete Podium, von dem herab die Vertreter des Instituts sprachen. Man sehe eine Fortsetzung hin zum Trend von besorgniserregenden Konflikten ohne echte Lösungen. Im Zentrum des Interesses stand dieses Jahr wieder der Konflikt in Syrien. Hier rechnete man recht unverblümt mit der gescheiterten Strategie des Westens im Kampf gegen den "Islamischen Staat" (IS) ab.

"Die Strategie gegen den IS ist höchst fehlerhaft", sagte der Nahost-Experte Emile Hokayem. Was der Westen nicht begriffen habe: "Während viele im Westen den IS als das größere Übel ansehen, betrachten viele Syrer hingegen Assad als größere Bedrohung." Seit der Konflikt begonnen habe, hätten sich westliche Regierungen vor schwierigen Entscheidungen in Bezug auf Syrien gedrückt.

Was jetzt gemacht werde, sei oft kontraproduktiv. "Wenn man den IS unter Kontrolle halten will, braucht man einen sehr langen und teuren Luftwaffeneinsatz und die Kurden. Wenn man sie aber besiegen will, braucht man die Sunniten." Um diese für sich zu gewinnen, brauche man eine Lösung, um das Schicksal Assads zu klären. Und vor dieser "harten Realität" laufe der Westen derzeit davon.

Teilung Syriens

Hokayems Kollege Nigel Inkster meinte dazu: "Es ist zwar verständlich, dass westliche Politiker darüber sprechen, den IS zu besiegen, aber der 'Islamische Staat" wird ein Problem sein, um das man sich noch einige Zeit wird kümmern müssen. Er wird nicht in absehbarer Zeit verschwinden." Man erkenne im Westen nicht, dass der IS wie ein "rationaler politischer Akteur" auftrete, Religion sei nur der Leim, der alles zusammenhält.

Nicht zusammen hält hingegen der syrische Staat. Die Kurden seien dabei, ihre unabhängige Position weiter zu festigen, und hätten verständlicherweise "kein Interesse daran, nach Raqqa zu gehen", um den IS zu bekämpfen. Die schiitischen Milizen konzentrieren sich indes auf Bagdad und Umgebung, während Assad darauf bedacht ist, die Küstengebiete um Latakia und Damaskus zu halten. "Wir sehen bereits eine De-facto-Teilung Syriens – und zwar eine sehr blutige und gewaltsame."

Iran

Ob der Iran zu einer Lösung in Syrien beitragen kann, wurde hingegen infrage gestellt. Durch den Atomdeal habe sich an dem Verhalten des Iran in der Region nichts geändert. Das Abkommen zwischen den UN-Vetomächten und der Islamischen Republik könnte dennoch ein "game changer" sein: Durch den Deal seien neue Kommunikationswege zwischen dem Westen und dem Iran eröffnet worden, die zumindest das Potenzial haben, in Zukunft zur Konfliktlösung beizutragen.

Einziger Lichtblick der Experten war die Ukraine. Der Waffenstillstand habe im Großen und Ganzen gehalten, und die letzten Wochen stimmten vorsichtig optimistisch. Um die Stimmung nicht zu sehr zu heben, schränkte man jedoch gleich wieder ein: Langfristig sei noch immer nicht geklärt, wie die Ukraine in Zukunft aussehen werde. (stb, 15.9.2015)