Als "Project Natal" sorgte Microsofts Konzept einer kamerabasierten Bewegungssteuerung mit Spracheingabe für die Xbox einst für Furore. Das in hochtrabenden Videos angepriesene System Kinect hätte die Zukunft des Gamings werden sollen. Doch schon auf ihrem ursprünglichem System, der Xbox 360, schwand die nach anfänglichem Hype rapide.

Und auch aus den ambitionierten Plänen für die Xbox One – die ersten paar Monate machte Microsoft Kinect zum Pflichtbestandteil der Konsole – daraus wurde aber letztendlich nichts, sie scheiterten am Widerstand der Fans. Die Hersteller haben das Interesse an Kinect weitgehend verloren. Business Insider ergründet, woran der einstige Hoffnungsträger gescheitert ist.

Andru Edwards

Große Ambitionen

Obwohl die Xbox One bald zwei Jahre auf dem Markt ist, existieren kaum Spiele, die gezielt auf Kinect zugeschnitten wurden. Dabei hatte sich Microsofts Vizepräsident Shane Kim sogar einst so weit aus dem Fenster gelehnt, zu behaupten, dass die Xbox 360 dank der Kamera bis 2015 die aktuelle Generation der Konsole bleiben könne.

Kinect war Microsofts ambitionierter Versuch, mit der Xbox auch die Gruppe der Casual Gamer zu erschließen. Vorbildhaft wirkte offenkundig Nintendos erfolgreiche Wii-Konsole, die das Konzpet der Bewegungssteuerung in den Wohnzimmern etablierte. 500 Millionen Dollar budgetierte Microsoft für die Vermarktung ihrer Erfindung.

Kaum Blockbuster

Anfangs schien der Plan auch aufzugehen. In 60 Tagen verkaufte sich das Set acht Millionen Mal und brachte dem Konzern damit sogar einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde. Seitens der Spielepresse war das Feedback teils enthusiastisch. Zum Verkaufsstart gab es bereits 17 Spiele, die Gebrauch von der Tiefenkamera machten.

Doch da begannen die Probleme des Systems. Die Kinect-Games fielen größtenteils in den Bereich "Familienunterhaltung" oder "Fitness". Sie richteten sich an das neue Publikum, das sich Microsoft erhoffte, verschreckten es aber durch mäßige Umsetzung. Die bestehende Fangemeinde der Konsole ignorierte die Titel wiederum weitgehend.

Vorsichtige Spielehersteller

Eine Ansprechperson von Business Insider, die mit der Entwicklung vertraut war, begründet die Probleme damit, dass die Spieleschmieden zum Start von Kinect bereits viel Geld in ihre bekannten Marken gesteckt hatten. Allesamt Spiele, wie etwa "Halo", die hervorragend mit dem Controller funktionieren. Es gab wenig Anlass, Zeit und Geld darin zu investieren, sie für Kinect zu adaptieren. Und bei den Titeln, die es unterstützten, war der Support entweder unausgegoren oder er wurde von den Spielern ignoriert.

Familien und Casual Gamer sollte Kinect ansprechen, doch es gab kaum gute Spiele. Die bestehende Xbox-Gemeinde interessierte sich für Spiele wie "Kinect Adventures" oder Fitness-Games indes kaum.
Foto: Microsoft

Erlebnis nicht ausgereift genug

Die zweite Schwäche war die technische Umsetzung. In 85 Prozent der Fälle arbeitete Kinect problemlos. Die restliche Zeit bewirkte seine Verwendung allerdings Frustration bei den Spielern. Zu viel für Spiele, die schnelle Reaktion und hohe Präzision erfordern. Und nutzt man ein solches System zur Steuerung der Medienwiedergabe, sollte es vom Start weg reibungslos arbeiten, da es der Nutzer sonst schnell deaktiviert. Denn niemand wiederholt gerne Sprachbefehle für seinen Videoplayer.

Als drittes Hindernis sieht der Insider, dass eine sinnvolle Verwendung von Kinect relativ viel Platz voraussetzt. Wahrscheinlich würden nicht einmal 20 Prozent der Wohnzimmer geeignete Bedingungen bieten.

Kein Revival mit Xbox One

Für die Xbox One wurde Kinect zwar verfeinert, aber nicht wesentlich verbessert. Pläne, die Nutzung der Xbox One nur mit angeschlossener Kamera zu ermöglichen, verwarf Microsoft auf Druck der Spieler. Wurde die neue Konsole zuerst im Bündel mit Kinect herausgebracht, schnürte man dieses angesichts enttäuschender Verkaufszahlen auf.

Mit "Fighter Within" gab es nur einen großen Starttitel, der sich des Systems hauptsächlich bediente. Und dieser wurde von den Testern verrissen. Weitere Anläufe, etwa von Microsoft selbst mit dem "Kinect Sports Rivals", floppten ebenfalls. Mittlerweile verliert selbst der Hersteller kaum noch ein Wort über Kinect.

Nischendasein

Während das Experiment im Spielebereich gescheitert ist und Technologien wie Virtual Reality oder Microsofts Augmented-Reality-Brille Hololens den nächsten Schritt darstellen könnten, führt Kinect derweil abseits der Konsole ein stilles Eigenleben. Forscher nutzen es etwa für 3D-Scans im Gesundheitsbereich oder Kunstprojekte. (gpi, 16.09.2015)