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Multimillionär Malcolm Turnbull ist Australiens neuer Premier.

Foto: AP/Taylor

Für einen Multimillionär ist Malcolm Turnbull (60) bescheiden. Er trägt keine Rolex, sondern eine einfache Uhr der Schweizerischen Bundesbahnen, denn "ich mag das minimalistische Zifferblatt".

Seine Zeit ist gekommen: Am Montag löste er in einer parteiinternen Revolte Premier Tony Abbott ab, den Mann, der ihn 2009 von der Spitze der Liberalen Partei geputscht hatte, weil er zu moderat gewesen sei, sich für Klimaschutz einsetzte und für eine humane Lösung des Flüchtlingsproblems.

Turnbull brauchte nur abwarten und zuschauen – etwas, was dem leistungsbewussten Mann schwerfiel: Immer wieder zeigte er verhalten seinen Unmut über die oft extreme Politik seines Widersachers und Chefs.

Aufgewachsen als Kind eines alleinerziehenden Vaters in Sydney, besuchte Turnbull dank Stipendien gute Schulen und studierte Kunst- und Rechtswissenschaften in Oxford. Eine Karriere als Journalist, dann als Rechtsanwalt. Immer brillierte er. Sein Intellekt sei überragend, sagt jeder, er mit ihm zu tun hat.

Investmentbanker Turnbull

Dann wurde Turnbull – verheiratet, zwei erwachsene Kinder – Investmentbanker. Er übernahm Goldman Sachs in Australien, ein Jahr danach war er Partner. Sein größter Coup war das Ergebnis seiner Weitsicht, das Internet als Plattform der Zukunft zu erkennen: 1999 verkaufte er seinen 1994 für 500.000 australische Dollar (315.000 Euro) erworbenen Anteil an einem Internetprovider um 57 Millionen. Heute wird sein Vermögen auf 200 Millionen geschätzt.

Turnbull hat es eigentlich nicht nötig, Politiker zu sein. Doch Politik war ihm stets wichtiger als finanzieller Erfolg. Erstmals politischen Einfluss genoss er als Umweltminister unter dem konservativen Premier John Howard. Nur ein paar Jahre später, wieder in Opposition, sah sich Turnbull seinem Ziel nahe, doch mithilfe des konservativen Flügels gewann Abbott die Abstimmung um den Parteivorsitz.

Der neue Regierungschef ist mehr Unternehmer als Politiker. Die Probleme der Welt sehe er als Herausforderungen und Chancen, sagt er. Wer jetzt eine Revolution erwartet, wird enttäuscht sein. Denn Turnbull sieht sich heute mit demselben internen Problem konfrontiert wie damals: einem starken ultrakonservativen Parteiflügel, der ihn hasst. Wenn er es nicht schafft, die klimawandelskeptischen und asylfeindlichen Parlamentarier in kürzester Zeit auf seine Seite zu bringen, ist die nächste Rochade bloß eine Frage der Zeit. (Urs Wälterlin, 16.9.2015)