Die Zeiten sind ungünstig für die Wahlkampagnen der Grünen und Neos, vor allem in Wien. Die Regierung, die Institutionen und zahlreiche Mitglieder der Zivilgesellschaft versuchen, die Flüchtlingssituation zu meistern. In Wien, und zum Teil auch in Oberösterreich, polarisiert sich der Wahlkampf zwischen hemmungslosen Rechtspopulisten und humanitär grundierten Verantwortungsträgern.

Die beiden nichthetzerischen Oppositionsparteien betreiben jedoch (noch?) Themenverfehlung. Die Grünen überraschen uns mit der als, huch, gewagtes Wortspiel formulierten Mitteilung: "Frauen wollen nur das eine: Gerechtigkeit". Die Neos entdecken ihren inneren Populisten: "Wir kämpfen gegen gierige Politik".

Was, liebe Leute, wollt ihr uns damit sagen? Auch unter anderen Umständen wären das Parolen von geradezu ewiger Gültigkeit und geben wenig Aufschluss, warum man jetzt die Grünen oder Neos wählen soll.

Österreich steht vor der Entscheidung, wie es mit einer Belastung umgehen soll, die sich sehr rasch aufgebaut hat und die bei den meisten Staatsbürgern sehr starke, aber auch stark unterschiedliche Emotionen auslöst. Es geht schlicht darum, ob sich hierzulande auf längere Zeit eine zugleich zivilisierte und praktikable Politik durchsetzt. Oder ob der fremdenhasserische Rechtspopulismus zuerst die Meinungshegemonie und dann die echte Vormacht in diesem Land an sich reißt.

Konkret wird die FPÖ in Wien nicht den Bürgermeister schaffen, aber die Gefahr besteht, dass sie durch sensationelle Erfolge in Wien und OÖ ihren Erfolgsnimbus entscheidend verfestigt, mit entsprechenden Folgen später. Dann können wir uns auf Zustände wie in Orbáns Ungarn gefasst machen: Knebelung von Opposition und Kritik, nationalistisches Getöse, "Notstandsgesetze" und Verhängung des Ausnahmezustands (von der Krone schon verbal bei uns verhängt) und selbstverständlich kolossales Missmanagement auf breiter Front.

Es geht derzeit um eine Richtungsentscheidung zwischen einem Rest von Verstand und Anstand und einem Sprung ins Dunkle. Grüne und Neos haben da eine wichtige Rolle. Was von dort bisher zur Flüchtlingssituation zu hören war, ist zu wenig. Am Runden Tisch reichte Eva Glawischnig die Verantwortung an eine höhere Instanz weiter – die EU brauche einen "Masterplan" -, und Matthias Strolz meinte, die EU-Innenminister seien kläglich gescheitert.

Von zivilisierten Oppositionsparteien, die vielleicht früher als erwartet Regierungsverantwortung (mit)tragen werden, ist aber mehr zu erwarten. Die Grünen sind bei den NGOs stark, die Neos bei Selbstständigen und Freiberuflern. Beide gehören eher zu den aktiven Schichten unserer Gesellschaft. Nicht zu den passiven Mieselsüchtlern.

Es geht einerseits um praktische Lösungen, Stichwort Zivilgesellschaft. Andererseits aber um den Meinungskampf gegen hysterisches Geschrei und Hetze. Und, fast noch wichtiger, um die Überzeugung der an sich Gutwilligen, aber Verunsicherten: "Wir schaffen das." (Hans Rauscher, 15.9.2015)