Wien – Erstmals trat Ex-Raffeisen-Chef Christian Konrad am Dienstag in seiner neuen Funktion als österreichischer Flüchtlingskoordinator bei einer Pressekonferenz in Wien vor die Öffentlichkeit. An seiner Seite: sein "jahrzehntelanges Alter Ego" – so Konrads Wortwahl – Ex-Raiffeisen-Generalsekretär und ÖVP-Politiker Ferdinand "Ferry" Maier.
Konrad zeigte sich nicht nur optimistisch, er machte sogar starke Ansagen. Etwa die, dass alle Bundesländer bis Ende September ihre Quoten für die Unterbringung von Flüchtlingen erfüllen würden. Was ihn da so sicher mache? "Ich bin ja kein junger Bua, der so daherhüpft, den man ohne weiteres anlügt", sagte der 72-Jährige. Will heißen: Wenn die Länder ihm etwas versprechen, werden sie es auch halten, ist er überzeugt.
Drei Bundesländer erfüllen ihre Quoten immer noch nicht zu 100 Prozent: Oberösterreich liegt aktuell bei 90, die Steiermark bei 93 und Tirol bei 96 Prozent.
Keine politischen Entscheidungen
Konrad wiederholte aber auch mehrmals, dass er als Flüchtlingskoordinator keine politische Funktion, sondern eine Managementaufgabe innehabe: "Ich treffe keine politischen Entscheidungen." Seine Aufgabe sei zu "motivieren, Missverständnisse und Bedenken" auszuräumen. Was er brauche, sei "Bereitschaft zur Kooperation" – und die sei bisher "durchaus gegeben".
Der Ex-Raiffeisen-Chef ließ am Dienstag mit einem weiteren Statement aufhorchen. Er zeigte sich nicht nur zuversichtlich, dass die zusätzlichen rund 35.000 benötigten Quartierplätze, mit denen Bund und Länder bis Jahresende rechnen, rechtzeitig aufzutreiben seien. Es sei auch mehr zu schaffen: "Das Boot ist noch lange nicht voll", sagte er.
Kein Fass ohne Boden
Ein Limit, also wie viele Unterkünfte insgesamt in Österreich für Asylsuchende bereitgestellt werden könnten, wollten er und Maier aber nicht nennen: Die Quartierfrage sei auch "nicht ein Fass ohne Boden".
Aktuell befinden sich rund 51.000 Schutzsuchende in der Grundversorgung – auch viele von ihnen haben noch kein fixes Quartier. Im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen sei zwar niemand mehr obdachlos, sondern in Zelten untergebracht. Die wolle Konrad aber auch abschaffen, sie seien im Winter unzumutbar.
Notstandards
Konrad sprach sich dafür aus, die Unterbringungsstandards angesichts der Notsituation zu überdenken. Die Vorschriften gingen derzeit bis zur "Höhe der Handtuchhalter", sagte Maier. Denkbar wäre deshalb, "Notstandards" einzuführen, die nur vorübergehend gelten sollen. Man führe diesbezüglich Gespräche.
Das Koordinationsteam sprach sich außerdem dafür aus, Asylverfahren zu vereinfachen. Und man wolle schon heuer mit der Planung der Unterbringung für das Jahr 2016 beginnen.
Treffen mit Schönborn
Hilfe erwartet sich Konrad auch von einer ORF-Plattform, die am Dienstag starten soll und wo private Quartiere, Sach- oder Geldspenden niederschwellig angeboten werden können. Bisher seien Quartierangebote oft "durch den Rost gefallen", bemängelte Konrad. Gespräche führt er neben Landeshauptleuten, Regierungsmitgliedern und Unternehmern mit der Kirche – am Donnerstag trifft er Kardinal Christoph Schönborn.
Konrad wird seinen Posten als Flüchtlingskoordinator offiziell am 1. Oktober antreten und zunächst für ein Jahr innehaben. Er und Maier werden ehrenamtlich arbeiten. Das ihm von der Regierung zur Verfügung gestellte Budget von maximal einer Million Euro werde für die drei bis vier Mitarbeiter gebraucht, die er einsetzen wolle. Außerdem werde es Sachaufwendungen geben. Ob Konrad sein Büro in einem Container in der Wiener Innenstadt einrichten wird, wie es zunächst hieß, werde noch diskutiert. (Christa Minkin, 15.9.2015)