Erfolg am maroden spanischen Medienmarkt: eldiario.es-Blogger und Mongolia-Chefredakteur Gonzalo Boye.

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Ein Geburtstag steht vor der Tür: Seit mittlerweile drei Jahren behauptet sich die inmitten der tiefsten Krisenjahre aus der Taufe gehobene linksliberale Onlinezeitung eldiario.es auf dem maroden spanischen Medienmarkt.

Unter dem Leitspruch "Journalismus, trotz allem" schreibt ein Team von 35 festen Mitarbeitern sowie zahlreichen namhaften freien Autoren. Von denen nicht wenige aufgrund des Sparkurses – oder auch ihrer kritischen Positionen wegen – aus den großen Tageszeitungsredaktionen Spaniens wegrationalisiert worden waren.

Das von Ex-Público-Chefredakteur Ignacio Escolar, zugleich Blogger (escolar.net) und einer der einflussreichsten Twitter-User Spaniens, initiierte Projekt basiert, wie etwa die Berliner Taz, auf dem Genossenschaftsmodell. Mehr als 12.000 Teilhaber stützen die stets wachsende Redaktion finanziell.

Verzicht auf bestimmte Annoncen

Das macht unabhängig. So verzichtet eldiario.es beispielsweise der Glaubwürdigkeit wegen gänzlich auf die für die traditionsreichen Tageszeitungen elementaren Annoncen von Banken wie etwa der Banco Santander – die ohnehin längst im Aufsichtsrat der hochverschuldeten El-País- PRISA-Gruppe Platz genommen hat.

Im Mai dieses Jahres etwa, als Regional- und Kommunalwahlen anstanden, zählte man über acht Millionen Unique Clients (UC) und fast 18 Millionen Visit, zu stets rund fünf Minuten Verweildauer. Im stets Traffic-schwachen Urlaubsmonat August immerhin noch 5,2 Millionen UC, laut der spanischen Webanalyse OJD, die jedoch nicht die Daten der größten Onlinemedien (elmundo.es, elpais.com, abc.es oder elconfidencial.es) erhebt, was comScore überantwortet wurde.

Erfolg mit Printsatire

Nicht allein eldiario.es mischt den Medienmarkt Spaniens zulasten der großen zwei, El Mundo und El País, kräftig auf. Auch die online in den Sozialnetzwerken höchst umtriebige Printsatirezeitschrift Mongolia (Auflage: 40.000, 3000 Abonnenten), an deren Spitze der chilenische Medienrechtsanwalt Gonzalo Boye steht, der selbst auch auf eldiario.es am Blog Contrapoder mitwirkt.

Boye gratuliert im STANDARD-Gespräch den eldiario.es-Kollegen "für die bisher geleistete Arbeit" und unterstreicht: "Bleibt eurer Linie treu." Die Onlinezeitung habe es geschafft, "mit einer sehr starken Redaktion eine Community zu bilden" – "sehr interaktive Leser, die überdies hochkritisch sind, was das Produkt selbst verbessert", sagt Boye. Auch Mongolia verzeichnete über die vergangenen zwei Jahre "einen bescheidenen Gewinn", betont deren Chefredakteur und merkt hämisch an: "Uns würde es besser gehen, wenn wir in einem demokratischen Land erscheinen würden."

Gegenöffentlichkeit

Mongolia bietet nicht nur Raum für bitterböse Satire, sondern auch kritische Investigativreportagen und vor allem eines: Gegenöffentlichkeit in der Rubrik "Reality News" abseits der Mainstreammedien. Diese scheinen selbst auf Papier in Spanien stets mehr und mehr passé zu sein: El País, El Mundo, ABC und die rechte La Razón verloren im April dieses Jahres im Durchschnitt 12,5 Prozent Reichweite.

Deren Hauptproblem sei, wie Boye unterstreicht "ihre extrem hohe Verschuldung". Das sorge dafür, dass Gläubiger Einfluss nehmen und teils die Linie der Redaktion diktieren. Manche Nachrichten würden nicht erscheinen. Und manches, was per se kein Thema wäre, werde abgedruckt.

Ebenso behauptet sich übrigens infolibre.es, wie eldiario.es als Genossenschaft Anfang 2013 gegründet, mit der Printmonatszeitschrift tintaLibre. Selbst im Lokalen scheint ein neuer digitaler Weg zu funktionieren: Im südspanischen Córdoba schreibt auch cordopolis.es schwarze Zahlen. (Jan Marot aus Granada, 15.9.2015)