Foto: Renate Graber

Mittwoch, kurz vor 8 Uhr am Wiener Westbahnhof. Der Flüchtlingsansturm des Vortags ist vorbei, langsam erwachen die "rund 150 Leute", die laut einem Caritas-Mitarbeiter freiwillig auf dem Bahnhofsgelände geblieben sind, statt sich in Notschlafquartiere der Stadt bringen zu lassen. "Es ist ruhig hier, aber wer weiß, wie lange noch. Das kann sich jederzeit ändern", fasst der Helfer vom Bahnsteig 1 die ungewisse Lage zusammen.

Auf dem Bahnhof vermischt sich der Alltag der Wiener und Pendler mit jenem der Flüchtlinge. Während unten, in der U-Bahn-Station, ältere Frauen wie jeden Tag schweigend dastehend den zum Erwachen aufrufenden "Wachturm" feilhalten, Zeitungsverkäufer die Tagesblätter verkaufen, während die einen zu den U-Bahnen strömen und die anderen zu ihren Zügen, räumen die Flüchtlinge oben, auf dem Europaplatz am Gürtel, und an der Rückseite des Bahnhofs ihre Nachtlager.

Wachablöse bei der Polizei

Schlafsäcke liegen noch da, leer schon, die Leute sitzen zusammen, rauchen, reden. Einige Gruppen von Flüchtlingen warten vor dem Kartenschalter der ÖBB, telefonieren, sondieren die Lage. Der Bahnverkehr funktioniert wieder regulär, wer wegwill, kommt also auch weg.

8 Uhr. Wachablöse bei der Polizei, die omnipräsent zu sein scheint. Ob auf den Bahnsteigen oder auf den Plätzen rund um den Bahnhof: Überall patrouillieren Polizisten und Polizistinnen, ruhig, unaufgeregt, freundlich. "Also, ich geh' jetzt einmal zu McDonald's", sagt einer, der gerade abgelöst wird, hinten an der Äußeren Mariahilfer Straße.

Nachtlager im Freien

Auch hier, am Seiteneingang zum Westbahnhof, haben Leute übernachtet, da und dort sieht man sie noch, eingemummelt in ihre Schlafsäcke. "Keine Fahrräder abstellen", weist ein Schild an, darunter liegt ein Schlafender.

Oben, auf Bahnsteig 1, kommen inzwischen die ersten Flüchtlinge zusammen, hier gibt es Frühstück von der Caritas. Züge kommen an, Züge fahren ab – und die Hilfsbereitschaft ist allgegenwärtig. Ein Mann kommt vorbei: Er bringt einen Sack voller warmer Decken. Man wird sie brauchen können. (Renate Graber, 16.9.2015)