Vom Ursprung der Globalisierung zu den Offshore-Steueroasen beschreibt der britische Soziologe John Urry in seinem neuen Buch den Werdegang von Wirtschaft und Gesellschaft zu ihrer derzeitigen Form – und geizt dabei nicht mit Kritik an dieser Entwicklung, etwa indem er die zerstörerische Wirkung auf die soziale Gerechtigkeit ebenso anprangert wie die Degradierung von Arbeitsplätzen zur globalen Manövriermasse internationaler Konzerne.
Den Ursprung dieses Prozesses sieht Urry in "Grenzenloser Profit" bei dem 2006 verstorbenen Wirtschaftswissenschafter und Nobelpreisträger Milton Friedman, gewissermaßen Mastermind des Neoliberalismus. Ab den 1970ern wurde demnach die Verbreitung dieser Auslegung des Kapitalismus, die im Grunde für eine weitestgehende Verdrängung des Staates aus dem Wirtschaftskreislauf steht, von übernationalen Organisationen wie der Internationalen Handelskammer oder dem Weltwirtschaftsforum in Davos vorangetrieben.
Ausgehend von Friedmans Lehrstuhl an der Universität Chicago, wo 25 Minister von US-Regierungen seinen Lehren gefolgt sein sollen, trat der Neoliberalismus seinen Siegeszug um die Welt an. Begünstigt durch Entwicklungen wie dem Abbau von Handelsschranken, dem Internet oder standardisierten Transportcontainern wurde die Welt sukzessive von einem stetig wachsenden Netz an Kapital- und Güterströmen überzogen.
Für Urry ist dies die Voraussetzung für den gleichzeitigen Aufstieg von Steuerparadiesen, über die inzwischen mehr als die Hälfte des Welthandels abgewickelt wird. Darin ortet der Autor eine Wettbewerbsverzerrung zugunsten großer, multinationaler Konzerne, da der unternehmerische Mittelstand nicht durch Offshore-Aktivitäten Besteuerung oder andere Rechtsvorschriften umgehen kann.
Grob umreißt Urry auch Ansätze zur Umkehr dieser Entwicklungen. Dazu zählen seiner Ansicht nach eine Abkehr vom derzeitigen Kreditgeldsystem, den Übergang zu einer weniger auf Kohlenstoffverbrennung ausgelegten Wirtschaft sowie Finanztransaktionssteuern. Um solche Prozesse in Gang zu bringen, sieht Urry die Zivilgesellschaft gefordert. (Alexander Hahn, 17.9.2015)