Mit dem Aufgebot an Exekutive samt Militär an der Grenze will Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) "ein Signal an die Welt" aussenden: dass in unserer Republik jetzt Schluss ist mit dem Durchwinken von Flüchtlingen; dass ab sofort rigide Kontrollen herrschen, damit gemeine Schlepper und bloß Migrationswillige abgeschreckt werden; und dass die Soldaten auch jedem nachjagen können, der den Übertritt über die grüne Grenze wagen sollte.

Doch die Aussagen der Innenministerin und die Realität an den Grenzübergängen klaffen weit auseinander. Tausende übernächtige, hungrige Flüchtlinge stehen dort mitunter ein paar Dutzend Polizisten und nun auch Soldaten gegenüber. Würden die Beamten in dieser Situation auf das hören, was die Koalitionäre in den letzten Tagen Konträres zum Besten gegeben haben, würden sie allesamt schnell den Kopf verlieren. Die schwarze Innenministerpartei wünscht sich systematische Abfertigungen. Die rote Kanzlerpartei aber nur stichprobenartige Kontrollen. Was denn jetzt? Letztere Vorgangsweise wird sich von den Behörden wohl eher anwenden lassen, den großen Rest der Menschen werden sie ergo wie bisher passieren lassen. Auch wenn der Nachbar noch so sehr um Verzögerung gebeten hat, damit sich der Massenandrang nach Deutschland legt.

Denn wenn die Staatsdiener an der Grenze unerbittlich ihre rechtlichen Befugnisse wie Einreiseverweigerungen und Zurückweisungen anwenden, würden diese Amtshandlungen rasch eskalieren. Von tumultartigen Szenen bis hin zum wilden Ausbüxen der Flüchtlinge in die Pampa ist alles vorstellbar. Und was dann? Für diesen Fall stellt sich Mikl-Leitner ein "situationselastisches" Vorgehen des Bundesheeres vor – offenbar mit vorgesehenen Zwangsmitteln wie Durchsuchung und Festnahme. Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) dagegen hat Militärpatrouillen abseits von Grenzübergängen ausgeschlossen, weil "deswegen kein Flüchtling weniger kommen wird", wie er treffend analysiert hat.

Was können die beiden Sicherheitsapparate im Zuge der angeblich verschärften Grenzkontrollen nun also leisten – außer mehr martialische Präsenz? Eigentlich recht wenig, aber das ist schon sehr viel: Sie können dafür sorgen, dass der Flüchtlingsandrang an den offiziellen Übergängen und an den Bahnhöfen weiterhin ohne unnötigen Aufruhr und unter halbwegs geordneten Umständen gemanagt wird – was auch bisher unter tatkräftiger Mithilfe der Hilfskräfte vom Roten Kreuz, von Caritas & Co geschehen ist.

Denn allein die Schreckensnachricht, dass Berlin und Wien langsam dichter machen, kann unter den Schutzsuchenden für blankliegende Nerven sorgen. Wie anders ist es sonst zu erklären, dass die Ordnungs- und Absicherungsaufgaben für die Soldaten etwa im Burgenland schon das Freihalten von Bahngleisen vorsehen, weil Menschen daran entlangmarschieren könnten? Solche Bilder kannte man bisher aus Ungarn. Bald könnten sie auch hier Wirklichkeit werden, wenn nicht weiterhin die gelindesten Mittel angewendet werden.

Zehn Tage soll der Grenzeinsatz samt Assistenz dauern, dann die Lage neu beurteilt werden. Bis dahin mögen sich die beiden Wachkörper besser koordinieren, als Rot und Schwarz das bei ihren weitreichenden Entscheidungen tun. Sonst wird aus dem Vorzeigeland für Flüchtlinge rasch ein weiterer Transitwarteraum der Verzweiflung. (Nina Weißensteiner, 16.9.2015)