Ungarns Premier Viktor Orban nimmt die gegen ihn gerichtete Kritik von Bundeskanzler Werner Faymann "nicht ernst". Das stellte Orban in einem Interview mit der Zeitung "Die Presse" und anderen europäischen Blättern fest. "Ich nehme das nicht persönlich. Es ist ein politisches Spiel". Ungarn werde weiter Zäune bauen, um Flüchtlinge abzuwehren: "Wir wollen keine Parallelgesellschaften."

"Ich habe eine gute Beziehung zu ihm. Wir sprechen noch immer regelmäßig am Telefon", sagte der Politiker der nationalkonservativen Regierungspartei Fidesz-MPSZ über sein Verhältnis zum SPÖ-Bundeskanzler. "Wir müssen zusammenarbeiten. Was bleibt uns übrig? Wenn wir sprachen, hat er nie diese hässlichen Ausdrücke verwendet, die er öffentlich gebraucht hat."

"Schlechtes Benehmen"

In den Aussagen Faymanns ortete Orban aber "einfach schlechtes Benehmen". So sollten zivilisierte Europäer ihre Meinung nicht ausdrücken, betonte Orban in dem Medien-Gespräch. "In der europäischen Linken gibt es eine einfache Arbeitsteilung. Jeden Tag muss einer den ungarischen Premier attackieren. Ich verstehe die Logik. An einem Tag schimpft der Rumäne, am anderen der Schwede, dann der Österreicher."

Eine Entschuldigung Faymanns erwartet Orban nicht. "Das war nie die stärkste Seite der Österreicher. Es ist anders, auf einen Österreicher als auf einen Franzosen zu reagieren. Die Franzosen sind auch noch raffiniert, wenn sie jemanden beleidigen. Österreicher sind manchmal ungehobelt. Die österreichischen und rumänischen Einlassungen sind oft eher destruktiv."

Faymann hatte in einem Interview mit dem deutschen Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" gesagt: "Flüchtlinge in Züge zu stecken in dem Glauben, sie würden ganz woanders hinfahren, weckt Erinnerungen an die dunkelste Zeit unseres Kontinents". Das Magazin titelte daraufhin in einer Aussendung zu dem Interview mit den Worten: "Österreichs Kanzler Faymann vergleicht Orbans Flüchtlingspolitik mit Holocaust." Das Wort Holocaust hatte Faymann allerdings nicht ausdrücklich in den Mund genommen.

"Wir Ungarn wollen keine Parallelgesellschaften"

Dass Österreich in der Flüchtlingskrise von Ungarn nicht informiert werde, stellte der nationalistische Politiker in Abrede. "Ich gab immer alle Informationen weiter. Wenn Politiker sagen, sie seien nicht informiert gewesen, ist das Teil des Spiels." Ungarn werde jedenfalls auch an den Grenzen zu Kroatien und Rumänien Zäune bauen, um Menschen an der Einreise zu hindern. Einerseits handle es sich nicht nur um Kriegsflüchtlinge, andererseits sei der "Multikulturalismus tot".

Orban: "Wir haben studiert, was in den westeuropäischen Staaten in den vergangenen Jahren passiert ist. Trotz aufrichtiger Bemühungen westlicher Regierungen haben sich muslimische Gemeinschaften nicht integriert. Wenn eine Nation Parallelgesellschaften will, dann hat sie das Recht dazu. Wir Ungarn wollen keine Parallelgesellschaften. Denn die Christen werden zahlenmäßig verlieren. Wenn man Muslime in unseren Kontinent lässt, werden sie bald mehr als wir sein."

"Das ist die institutionelle Falle"

Das sei eine "einfache Frage der Demografie, der Mathematik und der unbegrenzten Ressourcen an Muslimen in der islamischen Welt", so Ungarn Regierungschef. "Ich spreche nicht von Religion, sondern von Kultur, Werten, Lebensstil, sexuellen Gewohnheiten, Meinungsfreiheit, Gleichheit zwischen Mann und Frau." Er werde verpflichtende EU-Quoten zur Aufnahme von Flüchtlingen kämpfen: "Ich werde dagegen stimmen. Aber wenn es Gesetz ist, können wir rechtlich dagegen nicht ankommen. Das ist die institutionelle Falle."

Das Interview wurde von der "Presse" gemeinsam mit "Times", "Le Figaro" und "Welt" bei einer FIDESZ-Tagung in der Nähe von Budapest geführt. (APA, 16.9.2015)