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Flüchtlinge aus Syrien, Pakistan und Afghanistan an der Grenze zu Kroatien.

Foto: EPA/DAVOR STOJNEK

Ich fahre eigentlich immer mit dem Auto, weil ich öffentliche Verkehrsmittel nicht leiden kann und Zufußgehen noch nie meins war. Sogar kürzeste Wege lege ich gerne motorisiert zurück, zum 500 Meter entfernten Billa etwa. Ich kann Urlaube am Meer zwar ganz gut leiden, aber wirklich wohl fühle ich mich im Meer nicht. Ich kann nicht wirklich gut schwimmen, und sobald ich keinen Boden unter den Füßen mehr spüre, kehre ich um ins Seichte. Ich bin eigentlich ein ziemliches Gewohnheitstier. Das betrifft meinen Tagesablauf, meine Umgebung. Ich mag das, wenn ich da Kontinuität habe. Ich schlafe zum Beispiel schon schlecht, wenn meine bessere Hälfte einmal einen Tag weg ist, geschweige denn eine Woche. Das macht mich unrund. Mag ich nicht.

Ich mag mein Leben hier eigentlich ziemlich gern. Meine Firma läuft gut, es fehlt mir an nichts. Gut, ich habe eine Mietwohnung, dafür aber ein schönes Haus auf dem Land. Ich glaube, da geht es mehr oder weniger anderen Menschen auch so. Zumindest bei einigen dieser Punkte.

Was müsste passieren?

Was müsste passieren, damit ich a) meine Umgebung aufgebe, b) meine Familie verlasse, c) hunderte Kilometer, nicht Meter, zu Fuß gehe, d) alles Gewohnte und Liebgewonnene hinter mir lasse, e) Haus und quasi Hof aufgebe und f) in einem überfüllten Boot über das Meer fahren würde, wissend, dass ich ein miserabler Schwimmer bin.

Die Antwort: keine Ahnung. Ich kann es mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Es wird mir in diesem Leben nämlich nach menschlichem Ermessen nicht passieren.

Ich raunze gern. Es gibt ja vieles, was mir nicht so passt. First-World-Problems nennt man das gemeinhin. Wie schlecht muss es jemandem gehen, dass der einzige Wunsch darin besteht, einfach nur "in Sicherheit" zu sein? Nicht in der Angst leben zu müssen, jederzeit umgebracht werden zu können? Ich kann es mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Es wird mir in diesem Leben nämlich nach menschlichem Ermessen nicht passieren. Was muss jemand durchmachen, der alles aufgeben muss? Oder mit seinem Kind im Arm übers Mittelmeer schwimmt, Krämpfe bekommt und um das Leben kämpft? Ich kann es mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Es wird mir in diesem Leben nämlich nach menschlichem Ermessen nicht passieren. Ich bin sehr froh, dass mir das nicht passieren kann. Dafür kann ich aber überhaupt nichts. Es ist ja nicht so, dass ich etwas richtig gemacht hätte und es mir deswegen nicht widerfährt.

Glück und Zufall

Glück. Ich hatte schlichtweg das Glück, in Österreich auf die Welt zu kommen. Jetzt bin ich ja schon ein wenig größenwahnsinnig hin und wieder, aber ich denke nicht, dass da oben jemand sitzt und sagt: "Hey, der Fußi, der ist so super, den lass ma nicht als Säugling verrecken, sondern den schick ma nach Leoben." – Zufall also.

Und umgekehrt ist es ja nicht so, dass Menschen aus Syrien oder dem Irak etwas falsch gemacht hätten und deshalb dort geboren wurden, wo sie eben herkommen. Wieder Zufall.

Folgen menschlichen Handelns

Ist es Zufall, dass es diese Konflikte im Nahen Osten gibt? Ist es Zufall, dass die Menschen Afrikas bitterarm sind, obwohl sie auf Rohstoffvorkommen sitzen, die ein behagliches Leben für jede und jeden ermöglichen würden? Ist es Zufall, dass Chancen und Kapital in den Händen weniger liegen und der Rest eher nichts bis gar nichts hat?

Nein. Das sind keine Zufälle. Das sind die Folgen menschlichen Handelns. Des Agierens des politischen Personals und von Finanzkartellen und Industrieoligopolen auf unserer Welt. Und da weiß man gar nicht, wo man beginnen soll, um etwas zu verändern. Es macht einen ohnmächtig. Man will das alles nicht, aber hat irgendwie keine Chance, das zu ändern.

Steuerflucht

Wenn ich einer Grafik Glauben schenke, die Stefan Sengl auf Twitter und Facebook geteilt hat, dann kostet uns allein die Steuervermeidung großer Konzerne und Superreicher rund 1.000 Milliarden Euro pro Jahr. Die Unterbringung und Versorgung von einer Million Flüchtlingen jedoch nur 12,5 Milliarden Euro. Da richten es sich einige, und es sind nicht die, die alles zurücklassen und hier in Sicherheit leben wollen.

Armselige Hetzer

Wie dumm muss man sein, um als Österreicher oder Österreicherin Flüchtlingen auch nur irgendeine Schuld zuzuweisen? Wie krank muss ein Hirn sein, dass man diese Menschen "ins Gas" wünscht oder sich daran erfreut, wenn Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken? Wie boshaft muss man sein, um als politischer Akteur auf dieser Klaviatur zu spielen, Vorurteile zu schüren und Schwache gegen noch Schwächere aufzuhetzen? Wie armselig muss man sein, dass man glaubt, dass diese armen Hunde uns irgendetwas wegnehmen könnten, unseren Job, unsere Wohnung oder sonst was? Ich habe keine Ahnung, aber es widert mich einfach nur an.

An jene, die etwas in der Birne haben: Wir müssen nach oben treten. Nicht nach unten. An den Rest: Ihr tut mir leid. Und ich habe keinen Bock mehr, euch zu finanzieren. (Rudolf Fußi, 17.9.2015)