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Alexis Tsipras hat hoch gepokert und verloren. Am Sonntag stellt er sich der Wiederwahl, aus seiner bisherigen Zeit als Premier hinterlässt er einen wirtschaftlichen Scherbenhaufen.

Foto: reuters / konstantinidis

Als Alexis Tsipras im späten Juni den Verhandlungstisch mit der Troika verließ, setzte er alles auf eine Karte. In einem Referendum sollte das griechische Volk entscheiden, ob man sich auf ein neues, hartes Spar- und Reformprogramm einlassen wollte. Das alte Paket ließ er auslaufen, übrig gebliebene Hilfsmilliarden verfallen. Im Poker würde man sagen, Tsipras ging "all in", er spielte auf alles oder nichts.

Wie das Ganze ausging, ist hinlänglich bekannt. Die Griechen lehnten zwar die Forderungen der Geldgeber ab, ihr Premier musste aber seinen Bluff eingestehen. Weil er nicht aus dem Euro austreten wollte, blieb ihm nichts anderes übrig, als noch härtere Forderungen der EU zu erfüllen. Mit etwas Abstand betrachtet zeigt sich: Es war ein teures Spiel.

Verlust an Boden

Während andere ehemalige Krisenländer wie Spanien oder Irland wieder kräftig wachsen, fällt Griechenland heuer zurück in die Rezession. Die EU-Kommission geht davon aus, dass die griechische Volkswirtschaft um 2,3 Prozent schrumpfen wird, nächstes Jahr dann noch einmal um 1,3 Prozent. Zum Vergleich: Spanien soll heuer um drei Prozent wachsen, die irische Regierung spricht sogar davon, dass heuer ein Plus von sechs Prozent möglich ist.

In Griechenland klettert die Arbeitslosenrate wieder nach oben, nachdem sie bereits von knapp 28 auf 25 Prozent zurückgegangen ist. Das Land ist noch immer in der Deflation, die Banken wackeln, die Geldautomaten spucken weiterhin nicht mehr als 420 Euro in der Woche aus, und Unternehmen investieren nicht.

"Das Wichtigste ist jetzt, dass es rasch eine neue Regierung gibt", sagt der Griechenland-Kenner Athanasios Vamvakidis. Ob die linke Syriza mit Tsipras oder die konservative ND eine Regierung bilden, sei für die Aussichten der griechischen Wirtschaft relativ egal. "Eines ist aber klar", sagt der bei der Bank of America Merryll Lynch tätige Ökonom, "das Land kann sich keine weitere Phase der politischen Unsicherheit leisten."

Verzögerung wegen Wahlen

Die neue Regierung wird jedenfalls keine Zeit dafür haben, sich erst einmal warmzumachen. Sie muss umgehend mit der EU über noch offene Reformen verhandeln. Erst dann fließen weitere Hilfsgelder, und die Diskussion über eine Schuldenerleichterung für Athen wird offiziell eröffnet, so lautet die Vereinbarung, die im Juli getroffen wurde. Eigentlich hätte der erste sogenannte "Review", bei dem die Umsetzung der vereinbarten Reformen geprüft wird, schon im Oktober fertig sein sollen. In Brüssel erwartet man wegen der Wahlen nun einen Abschluss im November.

Die Zeit drängt, sagt der Ökonom Vamvakidis, denn bis zum Ende des Jahres müsse man sich auch noch um die griechischen Banken kümmern. Deren Bilanzen werden derzeit gecheckt, weitere Hilfsmilliarden sind wahrscheinlich, auch Fusionen stehen im Raum. "Mit dem 1. Jänner tritt ein neues Gesetz in Kraft", sagt der Grieche. Dann müssten bei Bankenproblemen auch Spareinlagen herhalten, das könne man durch eine schnelle Lösung verhindern.

IWF-Beteiligung fraglich

Und zu guter Letzt ist da auch noch die Sache mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Es ist noch immer unklar, ob er einige Milliarden zum bis zu 86 Milliarden Euro teuren Hilfspaket beisteuern wird. Eigentlich darf der Fonds nur Hilfen an Länder vergeben, deren Schulden er als nachhaltig ansieht. Und genau das ist bei Griechenland nicht der Fall. Hier zeichnet sich aber ein Kompromiss ab. Zwar ist der griechische Schuldenberg enorm, er verteilt sich aber über Jahrzehnte. So könnte er als nachhaltig gelten.

Damit er an Bord kommt, wird der IWF aber ebenfalls einige Bedingungen an den neuen Premier stellen. In Brüssel ist man zuversichtlich: "Hier traut man auch Tsipras zu, eine erfolgreiche Regierung zu bilden", sagt ein hochrangiger EU-Beamter zum STANDARD. (Andreas Sator, 17.9.2015)