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Heikles Spiel mit den Mehrheiten für Premier Matteo Renzi.

Foto: EPA / Daniel Irungu

Kernstück der italienischen Verfassungsreform, deren dritte Lesung am Donnerstag im Senat begann, ist der Senat selber: Die kleine Kammer soll von 315 auf 100 Mitglieder verkleinert und in eine Regionalkammer nach deutschem Vorbild verwandelt werden. Ziel ist die Überwindung des heutigen Systems mit zwei gleichberechtigten Parlamentskammern. Die Regierung verspricht sich davon eine schnellere Gesetzgebung und ein effizienteres Regieren. Bisher haben sich Senat und Abgeordnetenkammer oft blockiert – mit dem Resultat, dass selbst die Verabschiedung dringender Gesetze Jahre dauern konnte.

Dass bei der Gesetzgebung Handlungsbedarf bestehe, wird im Grundsatz von niemandem bestritten. Vielen geht die Reform aber zu weit: In Kombination mit dem bereits beschlossenen neuen Wahlgesetz, das der stärksten Partei automatisch zu einer absoluten Mehrheit in der Abgeordnetenkammer verhelfen wird, verleihe die Reform dem Regierungschef eine zu ausgeprägte Machtfülle. Diese könne vom Parlament nicht mehr ausbalanciert werden. Wie zu Mussolinis Zeiten werde Italien wieder "un uomo solo al comando" haben, also einen Alleinherrscher, betonen die Kritiker.

Wahl der Senatoren

Dennoch wirken die meisten Argumente vorgeschoben: Die Hauptkritik entzündet sich keineswegs am Premier, sondern an der zweitrangigen Frage, wie die Senatoren gewählt werden sollen. Die Vorlage der Regierung sieht vor, dass die Mitglieder des Senats künftig von den Parlamenten der Regionen bestimmt werden; die Reformgegner bestehen auf einer direkten Wahl durch die Bürger. Eine einleuchtende Begründung dafür sind sie bisher schuldig geblieben – und tun dennoch so, als hänge das Schicksal der Republik von dieser Frage ab.

Senator Roberto Calderoli von der Lega Nord hatte zum Wahlverfahren über eine halbe Million Abänderungsanträge präsentiert. Er hat sie zwar inzwischen zurückgezogen, doch das Vorgehen ist entlarvend. Man will dem forschen Matteo Renzi eins auswischen – und das gilt auch für Renzis parteiinterne Gegner, von denen einige angekündigt haben, gegen die Reform zu stimmen – selbst wenn dabei die eigene Regierung stürzen sollte. Rein rechnerisch ist das Szenario auch durchaus möglich.

20.000 Euro monatlich

Renzi lässt sich von den Drohungen und Obstruktionsversuchen freilich nicht beeindrucken – er ist überzeugt davon, die Entscheidungsschlacht zu gewinnen. Denn viele Reformgegner hätten bei Neuwahlen nur schlechte Chancen auf Wiederwahl. Die Zeitung Il Fatto Quotidiano hat es vorgerechnet: Ein Senator verdient knapp 20.000 Euro monatlich.

Renzis Kalkül ist klar: Nicht wenige Senatoren werden es sich gut überlegen, ob sie freiwillig arbeitslos werden und auf eine solche Summe verzichten wollen.

Übersteht die Verfassungsänderung die nun laufende dritte Lesung im Senat, muss im Jänner auch die Abgeordnetenkammer zustimmen. Im Sommer 2016 will Renzi die Reform auch noch dem Volk zur Abstimmung unterbreiten, denn "das Land wartet seit 70 Jahren auf diese Reform", sagte der Regierungschef. (Dominik Straub aus Rom, 18.9.2015)