Schon Otto Wagner träumte einst von einer attraktiven Aufenthaltszone über dem Wienfluss, doch die Idee einer durchgängigen Überplattung wurde aus vielen Gründen nie realisiert. In einer 2009 erarbeiteten Studie schlugen die Wiener Architekten Silja Tillner und Alfred Willinger Ideen zur Nutzung des brachliegenden Stadtraums vor. Ein Puzzlestein aus ihrem Konzept wurde nun in Form der Wientalterrasse bei der U4-Station Pilgramgasse umgesetzt.

Etwa 14 Kilometer lang ist der Wienfluss vom Retentionsbecken im Westen der Stadt bis zur Einmündung in den Donaukanal. Trotz des großen Potenzials dieses Stadtraums ist der denkmalgeschützte Kanal in vielen Bereichen eine schwer überwindbare Barriere zwischen den Bezirken.

Foto: Michael Hierner

Die erste Wientalterrasse – geplant sind noch weitere – ist ein Puzzlestein eines Konzepts zur Begrünung und Erweiterung des unwirtlichen Regulierungsbeckens. Die Idee: Auf den alten Mauern zwischen U-Bahn und dem Wienfluss liegt eine leicht geknickte Plattform, die als "schwebende Terrasse" zum Verweilen einlädt.

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Die etwa 1.000 Quadratmeter große Aussichtsplattform über den Geleisen der U4 ist eine Stahlbetonkonstruktion mit einem Holzboden, Sitzmöbeln und Pflanzenbecken aus Eisen.

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Die Plattform ist 76 Meter lang und lässt durch einen Spalt zwischen den Stahlträgern noch genug Sonnenlicht für den Betrieb der darunter liegenden U-Bahn durch. Wäre die Terrasse nur wenige Meter länger geworden, hätten teure Fluchtwege wie bei einem Tunnel gebaut werden müssen.

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"Wir wollten, dass man das Gefühl hat, zum Wasser hinunterzugehen", erklärt Architektin Silja Tillner den um vier Grad abfallenden Winkel der Plattform. Trotz des Gefälles kann die unebene Holzoberfläche auch mit einem Rollstuhl befahren werden.

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Besonders ins Auge sticht der warme Braunton des in vielen unterschiedlichen Winkeln verlegten Lärchenholzbodens. Er wird sich in den nächsten Jahren aufgrund der Witterung grau färben.

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Die Bepflanzung der Eisenwannen hat die MA 42 durchgeführt. Die ausgewählten Ziergräser und Schilfpflanzen sowie der Sand sollen an die Natur im Wienflussbecken erinnern.

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Der neugeschaffene öffentliche Raum der Wientalterrasse ist bewusst als Freifläche ohne Konsumzwang gewidmet. Eine knapp bemessene Anzahl an Bänken lädt zum Verweilen ein, Tische und Liegeflächen sucht man auf der Terrasse jedoch vergeblich.

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Das Grünraumangebot wurde auch durch die Öffnung eines privat genutzten öffentlichen Grundstücks erweitert. Erste Graffiti auf den Holzbänken lassen die Anrainer jedoch befürchten, dass die bisher geschützte Hauswand nun ebenfalls beschmiert wird.

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Parallel zur Wientalterrasse wurde auch ein Steg über den Wienfluss errichtet, der die Bezirke Margareten und Mariahilf miteinander verbindet. Die 33 Meter lange Bogenbrücke soll in ihrer Form an die Architektur Otto Wagners erinnern, über den Namen des Stegs sind sich SPÖ und die Grünen noch nicht einig.

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Die Prioritäten der Wiener Stadtplaner lassen sich übrigens an der Neugestaltung des Gehsteigs auf der Linken Wienzeile gut ablesen: Anstatt Platz für einen dringend benötigten Radweg vorzusehen, schränken Pflanzenbecken aus Beton den schmalen Gehsteig zusätzlich ein. Wer hier unachtsam die Beifahrertür öffnet, riskiert Kratzer und Dellen.

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Etwa 4,3 Millionen Euro kostete der Bau der ersten Wientalterrasse. Ob und wann weitere Puzzlesteine des Konzepts zur Belebung des Wienflusses umgesetzt werden, hängt nicht nur vom Erfolg der ersten Terrasse, sondern auch vom Ausgang der Wien-Wahl im Oktober ab. (Michael Hierner, 18.9.2015)

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