In der Straßenmeisterei in Ottensheim wohnen seit ein paar Wochen 75 Flüchtlinge aus vier Ländern. Einige von ihnen haben sich mit Franziska Zoidl darüber unterhalten, wie sie in Österreich wohnen und wovon sie träumen.

"Drei von uns leben in diesem Zimmer, die anderen im Zimmer Nummer 4 nebenan. Wir sehen uns ständig: Wer in die Nummer 4 will, muss durch unser Zimmer durch. Wir kommen aus Afghanistan und Pakistan. Seit rund einem Monat sind wir in Ottensheim – eigentlich kennen wir uns aber schon länger: Im Sommer waren wir in Feldkirchen, vorher in Traiskirchen.

Angekommen in Ottensheim (von links): Fayaz, Quadir, Quaiser, Osman, Hafiz (ein Nachbar, der aufs Bild wollte), Hamid (sitzend) und Kamran fühlen sich hier endlich sicher.
Foto: Dietmar Tollerian

Bevor wir nach Österreich kamen, haben wir eigentlich nichts darüber gewusst, bis auf eines: Hier müssen wir keine Angst mehr haben. Als wir einzogen, gab es nur Betten, Tisch und Sesseln. Die Ottensheimer haben dann vieles für uns vorbeigebracht: das Regal und die Kommoden zum Beispiel. Es hat uns überrascht, wie großzügig die Menschen sind. Der Spiegel an der Wand ist wichtig für uns – Fayaz ist eitel, auch wenn er es jetzt nicht zugeben will. Auch die vielen Kuscheltiere im Regal haben wir geschenkt bekommen. Unser Kindskopf Hamid sammelt sie für seine Tochter. Sie ist zwei Jahre alt und im Iran.

Sogar einen alten Computer haben wir. Abends schauen wir manchmal Filme darauf, Hamid etwa liebt koreanische Filme auf Farsi. Am wichtigsten ist der Computer aber für jene, die kein Smartphone haben, um mit ihren Familien in Kontakt zu bleiben. Einfach ist das nicht: Osman hat nichts von seinen Eltern gehört, seit er nach Österreich kam. Ihre Nummer funktioniert nicht mehr. Letzte Nacht hat er geweint.

Die Leute im Haus teilen sich drei Duschen und eine Küche. Das funktioniert. Hier wohnen die unterschiedlichsten Menschen zusammen. Das ist nicht immer leicht: In der Nacht ist es oft laut, dann können wir nicht schlafen. Aber auch wenn man nicht dieselbe Sprache spricht, irgendwie kann man immer kommunizieren.

Ordnung ist wichtig. Wir haben im Zimmer eine fixe Arbeitseinteilung. Einer kocht, einer putzt, einer wäscht ab. Sonntag ist Putztag. Wir essen zusammen an diesem Tisch, trinken Tee, wenn wir Gäste haben, und lernen Deutsch.

Die Wände sind vielleicht ein wenig kahl. Erinnerungsstücke an zu Hause konnten wir nicht mitbringen, Fotos haben wir nur auf unseren Handys. Ein Poster wäre schön, Osman zum Beispiel wünscht sich eines von Sportlern. Auch über einen Teppich, ein paar Boxen und einen Kasten für unsere Kleidung würden wir uns freuen. Aber es gefällt uns sehr gut hier.

Hier fühlen wir uns sicher. Das ist wahrscheinlich der größte Unterschied zu unseren Heimatländern. Hier können wir uns frei bewegen, dort haben wir Angst vor Bomben und Gewalt. Die Menschen sind größtenteils sehr freundlich, manche Nachbarn kommen vorbei und fragen, wie es uns geht und was wir brauchen.

Leicht ist es natürlich trotzdem nicht, so weit weg von zu Hause zu sein: Hamid hat Zahnweh, gestern wurde ihm ein Zahn gezogen. Er muss wahrscheinlich operiert werden und hat starke Schmerzen. Er hatte heute den ganzen Tag sein Gesicht mit einem Schal dick eingewickelt und wie ein Taliban ausgeschaut.

Natürlich machen wir uns Sorgen, dass wir nicht hierbleiben dürfen. Besonders Quaiser hat Angst. Sein Bruder wurde in seiner Heimat getötet. Wir träumen alle davon, hier zu leben, in einem schönen Haus mit Mama, Papa und unseren Geschwistern. Wir wollen arbeiten und unserem Land Österreich etwas zurückgeben. Osman zum Beispiel möchte Zahnarzt werden.

Was wir hier am meisten vermissen? Unsere Familien natürlich. Aber wir kennen Weihnachten nicht und freuen uns schon darauf. Hoffentlich sind wir dann noch in Ottensheim. Dann stellen wir hier vielleicht einen Weihnachtsbaum auf." (21.9.2015)