Manuelle Medizin hilft oftmals bei Leiden, für die keine genaue Ursache gefunden werden kann.

Foto: wikipedia/Michael Dorausch/SchuminWeb/Jim Dubel/[cc;2.0;by-sa]

Berlin – Bei jedem zweiten Patienten mit Schmerzen am Bewegungsapparat können Orthopäden und Unfallchirurgen keine strukturelle Ursache finden. Ihnen soll die manuelle Medizin, die auch die Osteopathie beinhaltet, helfen. Bisher kommt das alternative Verfahren, bei denen der Arzt ausschließlich mit den Händen behandelt, vor allem bei Kreuzschmerzen zum Einsatz.

Experten zufolge könnten weit mehr Schmerzpatienten davon profitieren. Ihnen bleiben zudem aufwändige Diagnosemethoden wie etwa Röntgen- und Kernspin-Untersuchungen erspart. Bei welchen Beschwerden die ärztliche Handgrifftechnik nachweislich hilft, erörtern Experten anlässlich des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU).

Oft übertragene Schmerzen

Chronische Schmerzen an Muskeln und Skelett sind der häufigste Grund für Arbeitsausfälle. Bei der Hälfte der Patienten mit Schmerzen am Bewegungsorgan liegt jedoch keine strukturelle Ursache vor – wie zum Beispiel ein eingeklemmter Wirbel oder ein Bandscheibenvorfall.

"Mithilfe spezieller Handgriffe, die sich an der Neurophysiologie des Körpers orientieren, erkennt der ausgebildete Orthopäde die eigentliche Ursache", sagt Hermann Locher, Leiter der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe Manuelle Medizin in der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC).

Oft handle es sich um übertragene Schmerzen aus Fehlfunktionen der Wirbelsäule oder Blockaden des Gewebenetzes, das alle Knochen, Muskeln und inneren Organe verbindet. "Diese Funktionsstörungen können manuell aufgelöst werden", so Locher, der allein in den letzten 30 Jahren bereits mehr als 50.000 Rückenschmerz-Patienten behandelt hat.

Aufwändige Untersuchungen wie etwa einen Herzkatheter, eine Angiografie oder Röntgen würden in manchen Fällen dadurch unnötig. "Auch Schmerz-Medikamente, Muskelrelaxantien oder Psychopharmaka können so eingespart werden", sagt Locher.

Auslöser der Blockierungen seien häufig eine Überbelastung beim Sport oder Bewegungsmangel durch überwiegend sitzende Tätigkeit. Aber auch psychosoziale Faktoren wie Stress oder Konflikte können zur Schmerzquelle werden. "Deswegen ist es wichtig, dass wir den Menschen als Ganzes betrachten und seine Lebenssituation in die Behandlung mit einbeziehen", betont Locher.

Andere Anwendungen

Die Manuelle Medizin ist ein fester Bestandteil in der Orthopädie und Unfallchirurgie. Bereits jetzt wenden die niedergelassenen Orthopäden in Deutschland die Methode bei jedem dritten Patienten an. "Weniger häufig findet die Manuelle Medizin derzeit noch in den anderen Fächern wie etwa der Allgemeinmedizin oder der Kinderheilkunde Anwendung", so Locher.

Das wäre aber wünschenswert, so der Experte – denn zahlreiche Funktionsstörungen im Kopfbereich könnten ebenfalls manuell therapiert werden, beispielsweise Gleichgewichtsstörungen oder Schluckstörungen. (red, 18.9.2015)