Die Industriebrache im Vordergrund, dereinst wurde hier Wäsche produziert, wird zum neuen Wohn- und Geschäftsviertel "Am Dorfbach". Die Nachnutzung schafft in Hard am Bodensee 93 neue Wohnungen.

Foto: Zima

Vorarlberg besteht vor allem aus Gebirgslandschaft. "Vorallemberg" hat Liedermacher Ulrich Gabriel einmal Land und Denkweise beschrieben. Wegen der besonderen Topografie ist nur ein Fünftel des Landes bewohnbar. Grund und Boden ist knapp. Besonders bebaubare Flächen sind Mangelware. "Derzeit sind keine Grundstücke im Angebot", heißt es auf Websites der Immobilienmakler.

An der Flächenwidmung kann die Knappheit nicht liegen. Ein Drittel der gewidmeten Bauflächen, 4300 Hektar, ist nicht verbaut. Und täglich werden durchschnittlich 1500 Quadratmeter Grünland in Bauland umgewidmet, errechnete der Verein Bodenfreiheit, der sich für einen verantwortungsvollen Umgang mit Grund und Boden einsetzt.

Über Möglichkeiten der Baulandmobilisierung wird seit Jahren nachgedacht, die Umsetzung scheitert an der vorherrschenden Ideologie. Mobilisierung per Gesetz wäre für Günther Ammann, seit April Fachgruppenobmann der Immobilien- und Vermögenstreuhänder, "ein Eingriff ins Eigentum". Der Immobilienexperte wünscht sich stattdessen mehr Flexibilität kommunaler Entscheidungsträger bei Bebauungsplänen und Baunutzungszahlen. In zentralen Lagen sollte man höher und dichter bauen dürfen. "Was bei uns noch fehlt, ist Transparenz. Baugrundlagenbestimmungen für jede Fläche sollten öffentlich einsehbar sein", sagt Ammann.

Hartnäckig hält sich in Vorarlberg das Gerücht, dass branchenfremde Unternehmer Liegenschaften im großen Stil ankaufen und nicht verwerten. Ammann: "Ich kann nicht bestätigen, dass gehortet wird. Wir haben das in der Innung diskutiert, aber keiner konnte das Gerücht verifizieren."

Nachnutzen und verdichten

Freiflächen oder Industriebrachen in Ortszentren sind selten. Eine dieser Raritäten konnten sich die Bauträger Zima und i + R Wohnbau sichern. "Am Dorfbach" in Hard, wo einst Wolff Unterwäsche produzierte, entsteht ein neues Wohn- und Geschäftsviertel. "Mitten im Dorf 15.000 Quadratmeter zu bekommen und damit einen Ortsteil entwickeln zu können ist eine seltene Chance", sagt Markus Hämmerle, Marketingleiter bei Zima.

Bis 2017 entstehen auf der Industriebrache 93 Eigentumswohnungen und 500 Quadratmeter Handels- und Gewerbeflächen. Das Projekt entspricht ganz der Idee, Ortskerne zu verdichten: Gemeindeamt, Geschäfte, Gasthäuser, Kindergarten sind zu Fuß erreichbar.

Im Land der Häuslebauer ist ein neuer Trend absehbar. Immer mehr Besitzer von Einfamilienhäusern aus den 1960er- und 1970er-Jahren wollen sich von Häusern und Gärten trennen. War es über Generationen tabu, Boden oder Haus zu verkaufen, ist die neue Seniorengeneration offener. Markus Hämmerle: "Es wird nicht mehr so geklammert, die Senioren sind spürbar auf mehr Lebensqualität aus." Das heißt, sie trennen sich von arbeitsintensiven Häusern und ziehen in kleinere Eigentumswohnungen.

Hochpreisland

Bauträger reagieren mit entsprechender Dienstleistung. Hämmerle: "Wir bieten Beratungsgespräche mit Experten aus unserem Netzwerk an." Steuerberater, Juristen suchen mit den potenziellen Verkäufern nach den besten Lösungen für sich und die Angehörigen.

Vorarlberg gilt als Hochpreisland. Neue Eigentumswohnungen kosten zwischen 3800 und 4000 Euro pro Quadratmeter. Im Immobilienpreis-Ranking belegt Vorarlberg in dieser Kategorie den zweiten Platz nach Wien. Günther Ammann vergleicht Vorarlberg lieber mit den Nachbarländern: "In Tirol, Süddeutschland, Norditalien oder der Ostschweiz sind die Preise höher." Dennoch mahnt er zur Preisvernunft: "Wir müssen schauen, dass Immobilienpreise und Einkommen nicht weiter auseinanderklaffen, sonst wird es kritisch." (Jutta Berger, 20.9.2015)