Ein Berg ist ein Berg. Und eine Erstbesteigung eine Erstbesteigung. Und zwar für jeden und jede dann, wenn er – oder sie – zum ersten Mal oben steht. Deshalb kann ich mit Stolz verkünden: Ich war vor ihr da. Mehrfach. Und hatte bis Dienstag Gerlinde Kaltenbrunner in puncto "alpine Vorkenntnisse" also etwas voraus. Denn auch wenn die Extrembergsteigerin alle 14 Achttausender schon abgehakt hat (ohne künstlichen Sauerstoff): Auf dem Kahlenberg war sie noch nie. Ich schon (einmal sogar MIT künstlichem Sauerstoff. Aber das ist eine andere Geschichte.)

Gerlinde Kaltenbrunner war noch nie auf dem Kahlenberg. Bis Dienstag eben. Da hakte sie den Wiener Hauptgipfel des Wienerwaldmassivs ab. "Endlich", wie sie erleichtert sagte (Nein, sagte sie natürlich nicht: Ich unterstelle ihr den Stoßseufzer aus dramaturgischen Gründen). Den 484 Meter hohen Berg bezwangen wir als Team. Als Seilschaft. (Okay, auch das ist ein bisserl übertrieben … aber es klingt doch fein.) Tatsächlich nahmen wir aber die schwierigste Route, den Nasenweg: Vom Kahlenbergerdorf hinauf zum Leopoldsberg (425 Meter) – und dann hinüber zum Gipfel.

Foto: Thomas Rottenberg

"Wandertag", hatte in der Einladung der Agentur gestanden. Aber das hatte nicht nur ich, sondern auch jene Kollegen ausgeblendet, die der Einladung von Kaltenbrunners Ausstatter Schöffel gefolgt waren. Mehr noch: Einige – ich verrate keine Namen – hatten sogar gekniffen. Weil, wie mir einer mailte, "ich mich nicht blamieren will, wenn die neben mir den Berg hinaufhopst – und ich schnaufend und schwitzend nicht mithalten kann."

Das hat natürlich was – war aber trotzdem falsch. Denn auch die Extrembergsteigerin schwitzte. Und atmete hörbar. Nicht ansatzweise so wie wir, aber eben doch: Am Dienstag hatte sich der Sommer zurückgemeldet. Es war richtig heiß. Und "es geht hier doch ziemlich steil rauf", attestierte die Höhenbergsteigerin meinem Hausberg echte Bergqualitäten.

Richtiges Schuhwerk

Und kam dann rasch zum Prinzipiellen: dem Respekt vor jedem Unternehmen. Und dem Hinweis darauf, dass auch eine Wanderung im Wald ohne die richtige Ausrüstung rasch unangenehm – oder sogar gefährlich – werden könne: "Die richtigen Schuhe. Funktionale, gut passende Kleidung, in der man sich wohlfühlt. Regenschutz. Etwas zu trinken", zählte sie auf. Und sang sympathischerweise nicht das undifferenzierte Loblied auf ihren Ausstatter und dessen Produkte, sondern auf den guten Berater im guten Fachhandel: "Man kann sich vorab heute sehr gut selbst informieren, aber ein Verkäufer, der weiß, was die Dinge können – oder wofür sie nicht gemacht sind –, ist wichtig."

Thomas Rottenberg

Ins gleiche Horn stieß dann auch Jürgen Nairz. Natürlich, erklärte der Chef von Schöffel Österreich und Italien, brauche jedes Label heute Spitzenathleten. Als Testimonials. Und um Produkte in Extremsituationen – und nicht bloß unter Laborbedingungen – auf Herz und Nieren testen zu können. Ob der Normalo-Verbraucher dann diese Premium-Premium-Produkte brauche oder nicht vielleicht doch auch mit der zweiten oder dritten Version das Auslangen fände, sei dann eben das, wo sich im Verkauf Spreu vom Weizen trenne, erklärte der Tiroler.

Foto: Thomas Rottenberg

Freilich, betonte Nairz, wisse auch er, dass die Großketten-Entwicklung im Handel diesem Wunsch etlicher Anbieter und Hersteller längst Hohn spreche. Weil der Marsch genau in die andere Richtung gehe: Kompetente Beratung durch kompetentes, weil spezialisiertes und ständig weiter geschultes Personal hat gerade in Megamärkten alles andere als erste Priorität. "Ich kenne etliche wirklich gute Verkäufer, die heute totenblass und verzweifelt vor Regalen voller Ramsch stehen", seufzte Nairz – will den Stab aber nicht über dem Personal brechen: Ein Job sei immer noch besser als keiner.

Nebenbei erzählte Nairz dann von einem Start-up-Projekt, an dem sich Schöffel ab diesem Winter beteilige: Dem Verleih von Skigewand – mit speziellem Fokus auf vor allem britische Gäste. "Die brauchen für vier oder fünf Tage keine komplette Ausrüstung. Abgesehen von den Kosten fehlt da ja oft auch der Stauraum daheim." Das Argumente "Hygiene" hält Nairz für vorgeschoben: "Skihelme und Schuhe borgt sich ja auch jeder ohne Bedenken aus." (Nebenbei: Beim Raften, Tauchen oder Surfen zieht man ja auch "fremde" Neoprenanzüge an, obwohl … nun ja.)

Und daran, sich selbst per Verleih Kunden abspenstig zu machen, glaubt der Schöffel-Chef auch nicht: Skiverleih funktioniere bei Gelegenheitsgästen ja auch. "Und wenn ich sehe, mit welchem Ramsch die Leute oft unterwegs sind, ist es mir lieber, sie mieten gute Ausrüstung und kommen irgendwann drauf zurück, als dass sie nach einem ersten Skiversuch nie wieder in den Schnee wollen, weil ihre Kinder nach zwei Stunden im Freien waschelnass und durchgefroren waren – und ihnen schlechte Ausrüstung den Spaß am Draußensein nachhaltig verdorben hat."

Thomas Rottenberg

Doch zurück auf den Kahlenberg: Über konkrete Produkte, Features, Vorzüge und universelle Wollmilchsauqualitäten der aktuellen Schöffel-Kollektion sprach niemand. Weil es um etwas anderes ging.

Foto: Thomas Rottenberg

Um das, worauf es tatsächlich ankommt: nämlich dass Freude am Draußensein und an der Natur auch im Kleinen nicht bloß möglich, sondern immer wertvoll, schön und gültig ist. Und jeder Berg (und jede Wanderung oder jeder Spaziergang) einen anderen, doch immer ein bisserl neuen Blick auf die Welt bietet. Den Horizont verschiebt.

Foto: Thomas Rottenberg

"Da kommt es nicht auf die Höhenmeter an", betonte Kaltenbrunner. Sie hatte Wien noch nie von hier oben gesehen. Sie strahlte. und war "wirklich überrascht, wie viele Facetten diese Stadt zu bieten hat." (Thomas Rottenberg, 20.9.2015)

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