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Blick auf den Cotopaxi am 21. September.

Foto: REUTERS/Guillermo Granja

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Ernte in Chaupi. In der Luft Asche und Dampf des Vulkans.

Foto: ap/Cris Toala Olivares

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Eingeschränkte Sicht auf der Panamericana zwischen Pasto Calle und Mulalo.

Foto: ap/Cris Toala Olivares

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Präsident Correa, hier in San Agustin del Callo, hat den Ausnahmezustand ausgerufen.

Foto: EPA/Jose Jacome

Die Bewohner von Latacunga bitten ihre Schutzpatronin, die Schutzmantelmadonna, um Beistand.

Foto: Karl Valent

Die Prozession führt bis zum Fuße des aktiven Vulkans.

Foto: Karl Valent

Mit dem 5.897 Meter hohen Cotopaxi erwachte kürzlich einer der gefährlichsten Vulkane der Welt. Im Verlauf von sechs explosiven Eruptionen schleuderte der Vulkan im Herzen Ecuadors in der Nacht des 14. August erstmals seit über 110 Jahren seine Asche wieder bis zu acht Kilometer in die Höhe.

Seitdem nahm die Intensität des Ausbruchs zwar oberflächlich ab, unter der Oberfläche brodelt es aber immer noch bedrohlich weiter. Täglich kommt es zu dutzenden vulkanischen Erdbeben – ein Zeichen für aufsteigendes Magma, das beim Durchbrechen von inneren Gesteinsschichten den schneebedeckten Koloss im Zentrum Ecuadors erschüttern lässt. Der Ausbruchsverlauf ist insofern als positiv zu beurteilen, als die andauernde Eruption auch einen kontinuierlichen Druckabbau bedeutet. Sollte das Magma aber auf undurchdringliche Schichten stoßen, kann sich der Druck anstauen und zu einer explosiven Entladung mit unvorhersehbaren Folgen führen.

Großer Ausbruch seit 20 Jahren überfällig

Die größte Bedrohung für die 300.000 Menschen in der direkten Gefahrenzone des Vulkans geht allerdings nicht von austretenden Glutwolken oder Magma aus, sondern von den Schlammlawinen, die durch ein Abschmelzen des Gletschereises des Cotopaxi ausgelöst werden können. Sie bilden sich aus Asche, Magma und vulkanischem Gestein und stürzen mit großer Geschwindigkeit die steilen Flanken des Berges hinunter. Während der letzten Ausbruchsphase von 1877 bis 1904 forderten Schlammlawinen mehr als 1.000 Todesopfer und richteten selbst im 124 Kilometer entfernten Puerto Napo fatale Zerstörungen an.

Seit damals ist die Bevölkerung in dieser Region auf mehr als das Zehnfache angewachsen. Die Konsequenzen eines größeren Ausbruchs sind kaum abzusehen; statistisch gesehen ist ein solcher jedoch bereits seit über zwei Jahrzehnten überfällig.

Soziale Katastrophe, politische Krise

Auch wenn es im bisherigen Ausbruchsverlauf noch zu keinen direkten Zerstörungen gekommen ist, nimmt die soziale Katastrophe bereits ihre Anfänge. Einigen östlich des Cotopaxi gelegenen Dörfern wurde die Evakuierung befohlen.

Der ecuadorianische Präsident Rafael Correa scheint vorkehrend Vorteile aus der prekären Situation rund um den Ausbruch des Cotopaxi zu ziehen. Das Land befindet sich nach einer angekündigten Steuererhöhung sowie einer geplanten tiefgreifenden Verfassungsänderung, die Correa die unbegrenzte Wiederwahl ermöglichen soll, in einer Krise. Seit Anfang Juni häufen sich über das ganze Land verteilt Demonstrationen gegen Correas "Alianza País"; zuletzt haben die Gewerkschaften sowie mehrere indigene Bewegungen – allen voran die Conaie, die nach einem 700 Kilometer langen Protestmarsch am 12. August die ecuadorianische Hauptstadt Quito erreichten – zum nationalen Streik am 14. August aufgerufen. Die rechtskonservativen Oppositionsparteien sahen nach 2010 erneut die Möglichkeit für einen politischen Umsturz und schlossen sich schlussendlich auch den Protesten an.

Correa war sich der latenten Gefahr bewusst – er wäre nicht der erste ecuadorianische Präsident, der durch die Macht des Volkes oder des Militärs seines Amtes enthoben würde. Zwischen 1997 und 2007 sah Ecuador acht Präsidenten kommen und unfreiwillig wieder gehen, am vorläufigen Ende dieser turbulenten Periode der rezenten politischen Geschichte Ecuadors steht Correa selbst, und er ist fest entschlossen, auch weiterhin von der Balustrade des Präsidentenpalasts hinabzuwinken.

Willkommener Ausnahmezustand

Am 15. August – und somit gleich am ersten Tag, nachdem der Cotopaxi aschespuckend zum Leben erwachte – rief Correa den nationalen Ausnahmezustand aus. Einher mit der Mobilisierung potenziell notwendiger finanzieller Ressourcen für das Katastrophenmanagement ging aber auch die Befugnis für das Militär, die öffentliche Ordnung wiederherzustellen und dabei unter anderem auch bürgerliche Freiheiten einzuschränken. All dies sind Kompetenzen, die nicht zuletzt auch bei der Bewältigung der politischen Krise praktisch zur Hand waren, während sich einige Kilometer weiter südlich vulkanische Asche auf die Häupter der nur leidlich unterstützten Landbevölkerung legte.

Wettlauf mit der Zeit

Knapp zwei Wochen später sammelten sich in den Morgenstunden des 30. August mehr als 2000 Menschen im ecuadorianischen Latacunga, um ihre Schutzpatronin, die "Virgen de la Merced", um Schutz zu bitten und um sie in einer Prozession zum Fuße des Cotopaxi zu tragen. Dass Latacunga bereits dreimal durch Ausbrüche des Vulkans völlig zerstört wurde, scheint das Vertrauen in die Schutzpatronin nicht zu mindern.

Das Krisenmanagement der Regierung rollt währenddessen nur langsam an. Die Planung und Umsetzung präventiver Maßnahmen wurde in den vergangenen acht Jahren aufs Sträflichste unterlassen, und für die zuständigen Organe hat ein Wettlauf mit der Zeit begonnen, um Evakuierungsrouten auszubauen, Notlager einzurichten und die Bevölkerung auf den schlimmsten Fall vorzubereiten. Gleichzeitig sieht sie aber auch tatenlos dabei zu, wie viele Menschen ihr unbewegliches Hab und Gut an skrupellose Spekulanten verkaufen – natürlich unter Wert –, um sich fernab der Risikozone bei rasant steigenden Mietpreisen neu einzurichten. Lediglich lokale hohe Geistliche rufen zu Solidarität auf und ermahnen die Gläubigen, keinen Profit aus der Not ihrer Mitmenschen zu schlagen.

Möge die "Virgen de la Merced" die Bevölkerung in den Gefahrenzonen beschützen, denn die Regierung scheint damit überfordert zu sein. (Karl Valent, 22.9.2015)