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Manche Sportarten gehen mit einem hohen Risiko für Schädel-Hirn-Traumen einher – American Football etwa.

Foto: reuters/MIKE BLAKE

In Österreich erleiden jedes Jahr 64.000 Menschen ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT). Diese Zahl nannte der Neurologe Nikolaus Steinhoff, Präsident der Europäischen Gesellschaft für SHT, am Freitag in Wien aus Anlass einer internationalen Fachkonferenz.

Die Diskrepanz zur offiziellen Zahl von 24.000 Fällen pro Jahr erklärt sich nach Angaben Steinhoffs dadurch, dass in der höheren Zahl auch jene Patienten enthalten sind, die nicht stationär in Spitälern behandelt werden. Schädel-Hirn-Traumata haben nämlich höchst unterschiedliche Auswirkungen: Von so schwer, dass die Betroffenen in Spezialeinrichtungen betreut werden müssen, bis zu minimal und möglicherweise gar nicht als Folge eines SHT erkannt.

"Ein bissl weiter rechts im Gehirn, links, oben oder unten – dann schauen die Folgen der Verletzung schon wieder ganz anders aus", meinte Hans Grugger, nach seinem Kapitalsturz auf der Streif in Kitzbühel in der Weltcup-Saison 2010/2011 selbst Betroffener. Dem Ex-Abfahrer, der tagelang im künstlichen Tiefschlaf lag und fast zwei Monate in der Uniklinik Innsbruck verbrachte, geht es nach eigenen Angaben "bis auf ein paar Kleinigkeiten" wieder gut.

"Ich hab' manchmal Konzentrationsprobleme und die Verbindung mit dem rechten Fuß ist nicht ganz gegeben. Aber ich red' nicht gern drüber, weil das ist wie Jammern auf hohem Niveau", sagte der 33-Jährige, der in Salzburg Sport und Geografie studiert und sich nach wie vor nicht an seinen Sturz erinnert.

Ruhe nach dem Trauma

Konzentrationsprobleme oder bei Kindern ein Leistungsabfall in der Schule nach einem Sturz oder einem Sportunfall können Folgen eines solchen Traumas sein. Auch in leichten Fällen können zerstörte Zellen zwar nicht repariert werden, ihre Aufgaben werden aber von anderen Zellen übernommen. Am besten funktioniert das, wenn dem Betroffenen Ruhe verordnet wird.

In den USA werde das Thema SHT in Zusammenhang mit Sportarten wie Football und Eishockey diskutiert, sagte der Neurologe, der auch Präsident der Österreichischen Gesellschaft für SHT ist. Diese Sportler laufen Gefahr, immer wieder leichte Traumata zu erleiden, die übergangen werden. Die Folgen können Konzentrationsprobleme nach einigen Karrierejahren sein.

In Österreich sei man dabei, für SHT-Patienten eine institutionalisierte Anlaufstelle für Informationen zu schaffen, welche Behandlungs- und Betreuungseinrichtungen wo zur Verfügung stehen, sagte Steinhoff. Derzeit kümmert sich die SHT-Gesellschaft als Dachverband von Selbsthilfegruppen um dieses Thema.

Zu wenig Plätze

"Mich erreichen immer wieder Anrufe von Betroffenen und Angehörigen, die sich einfach nicht auskennen", sagte Sigrid Kundela von der SHT-Gesellschaft. Sie beklagt auch einen Mangel an Plätzen in spezialisierten Betreuungseinrichtungen. "Betroffene werden manchmal sogar in Altersheimen untergebracht – und da gehören junge Leute eindeutig nicht hin."

Dank medizinischer Fortschritte überleben immer mehr Patienten auch schwere Schädel-Hirn-Traumata. Eine in Österreich erstellte Studie habe ergeben, dass die Chancen für Betroffene am besten sind, wenn sie nach der Akutversorgung an Ort und Stelle in einer spezialisierten Einrichtung behandelt werden, auch wenn der Transportweg dorthin länger ist als zum nächstgelegenen Krankenhaus, sagte Steinhoff. (APA, 18.9.2015)