Sankt Pölten – Um das Jahr 1747 kamen aus dem Salzkammergut protestantische Holzknechte und ihre Familien in die damals noch kaum berührten Urwälder der Ostalpen. Gerufen wurden die Waldarbeiter vom Zisterzienserstift Lilienfeld. Ihre Aufgabe bestand darin, die unwegsamen Waldungen um den Ötscher zu roden und Holzernte einzubringen. Ihren Glauben konnten diese Menschen lange nur im Verborgenen ausüben. Das machte sie zu "Geheimprotestanten". Dennoch bereicherten sie Leben, Bildung und Kultur der Region. Erst nach dem sogenannten Toleranzpatent Josefs II. im Jahre 1781 entstand in Mitterbach, einer kleinen Gemeinde im Mostviertel direkt an der Grenze zur Steiermark, die erste evangelische Gemeinde Niederösterreichs.
Steiniger Weg
Die älteste evangelische Toleranzgemeinde Österreichs ist heute Ort der Ausstellung GLAUBENsREICH. Evangelisch im Ötschergebiet. Holzknechte, Geheimprotestanten, Reformer". Im alten evangelischen Schulhaus direkt im Ort angesiedelt, präsentiert die Ausstellung den steinigen Weg der evangelischen Gemeinschaft, vom "geduldet sein" bis hin zur Zugehörigkeit.
Zahlreiche Exponate sowie eine Hörstation und zwei Dokumentarfilme bringen den Besuchern das Leben der Holzknechte, der Geheimprotestanten sowie die Evangelische Glaubensgemeinschaft in der Gegenwart in authentisch Atmosphäre näher. Ein Raum ist der "Bildung der Reformationszeit" gewidmet und beeindruckt mit der Inszenierung eines damaligen Klassenzimmers.
Die evangelische Pfarrgemeinde Mitterbach erstreckt sich heute über ein breites Gebiet von Annaberg bis nach Wildalpen und von Puchenstuben bis nach Ulreichsberg. Waren die Bewohner im Jahr 1920 noch zu 80 Prozent evangelisch, so sind es heute nur mehr knapp über 30 Prozent.
Gestaltet wurde der Streifzug durch die Geschichte der Evangelischen von Gerhard Proksch und Matthias Koch von der Media- und Kulturwerkstatt "RANDLOS?". Die Ausstellung hat bis 1. November von Mittwoch bis Sonntag, 10 bis 17 Uhr, geöffnet. (mro, Spezial, 19.9.2015)