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Flüchtlinge laden ihre Smartphones auf – die Geräte erfüllen eine Vielzahl vitaler Funktionen

Foto: AP/Josek

Frage: Warum ist das Smartphone für Flüchtlinge extrem wichtig?

Antwort: Das Gerät ermöglicht den Zugang zum Internet und erlaubt den Flüchtlingen dadurch die Nutzung einer ganzen Bandbreite an wichtigen Services. Außerdem kann der Kontakt mit Familienmitgliedern, von denen der Flüchtling getrennt wurde, aufrechterhalten werden.

Frage: Wie können sich Flüchtlinge die teuren Smartphones leisten?

Antwort: Die Geräte erfüllten schon vor der Flucht eine ganze Reihe an Funktionen, für die Österreicher jeweils einzelne Geräte benutzen: Die Smartphones sind etwa Internetzugang, Fernseher, Telefon, GPS-Gerät und Spielekonsole in einem. Außerdem werden im Nahen Osten und Afrika oft sogenannte Auskopplungen moderner Smartphones verkauft, also günstigere Modelle mit etwas weniger Leistung.

Frage: Wie können Flüchtlinge die teuren Roaming-Gebühren bezahlen, die international anfallen?

Antwort: Ganz einfach: Flüchtlinge weichen meist auf nationale Wertkarten im jeweiligen Land aus, die sie etwa an Tankstellen erwerben. Via Internet können dann Kommunikationsanwendungen wie Skype, WhatsApp oder Viber genutzt werden.

Frage: Wie können Smartphones Leben retten?

Antwort: Die GPS-Funktion zur Ortsbestimmung ist auf der Flucht enorm wichtig. "GPS-Daten werden im Notfall mit der Beschreibung, was gerade passiert, an Freunde verschickt", erklärt Edith Rogenhofer von Ärzte ohne Grenzen. Herrscht etwa schlechtes Wetter bei der Fahrt über das Mittelmeer, können so Rettungskräfte zeitnah informiert werden.

Frage: Wie schnell sprechen sich veränderte Bedingungen auf der Route herum?

Antwort: Das Smartphone sorgt dafür, dass Flüchtlinge binnen weniger Stunden über neue Gegebenheiten – etwa verschärfte Grenzkontrollen – Bescheid wissen. "Flüchtlinge tauschen sich darüber aus, welche Routen 'sicher' sind", so Rogenhofer. Das merkte man vergangene Woche, als Asylwerber plötzlich neue Wege nach Österreich und Deutschland wählten.

Frage: Wie kommunizieren Flüchtlinge mit Schleppern?

Antwort: Die Schleuser sind in sozialen Netzwerken hochaktiv, wo sie aktuelle Preislisten für den Transport in das Zielland angeben. Auf der Flucht halten die Flüchtlinge außerdem via Smartphone Kontakt mit den Schleppern, um etwa Verspätungen bekanntzugeben.

Frage: Spielen Smartphones also Schleppern in die Hände?

Antwort: Nur bedingt. Denn auf Facebook haben sich eigene "Selbsthilfegruppen" für Flüchtlinge gebildet. Dort findet ein reger Austausch über Schlepper statt. Wer brutal ist oder Abmachungen nicht einhält, wird künftig von anderen Flüchtlingen gemieden.

Frage: Welche Rolle spielt das Smartphone, sobald Flüchtlinge im Zielland angekommen sind?

Antwort: Oft heißt es dann erst einmal abwarten. Die Tage bis zu einer Entscheidung im Asylverfahren werden lang, Familienmitglieder sind meist noch in Gefahr. Durch Smartphones können Flüchtlinge mit ihnen in Kontakt bleiben. "Für viele ist es auch die einzige Möglichkeit, Fotos von ihrem alten Leben, Erinnerungen zu behalten. Viele haben Fotos von ihren Häusern in Syrien am Handy – Häuser, die inzwischen komplett zerbombt sind. Oder von Familienmitgliedern, die umgebracht worden sind" , erzählt die Bloggerin Madeleine Alizadeh, die sich in Traiskirchen engagiert.

Frage: Welcher Service ist im Zielland noch besonders wichtig?

Antwort: Dienste wie Google bieten kostenfreie Übersetzungsprogramme an. Die 24-jährige Selda lebt in einer WG in Wien. Sie ist aus Syrien geflohen. Mit dem Smartphone kann sie mit ihren Mitbewohnerinnen kommunizieren, beispielsweise über Onlinebanking informiert werden. Auch Emojis – also Symbole für Onlinekommunikation – helfen enorm.

Frage: Warum müssen wir über Flüchtlinge mit Smartphones reden?

Antwort: Eigentlich ist es logisch, dass viele Menschen weltweit im 21. Jahrhundert ein Smartphone besitzen. Doch Hetzer nutzen das Bild vom "reichen Flüchtling mit modernem Smartphone" seit Monaten, um fremdenfeindliche Stimmung zu erzeugen.

Frage: Vernetzen sich nur Flüchtlinge in sozialen Medien?

Antwort: Ohne Smartphone und Facebook wäre die spontane zivilgesellschaftliche Hilfeleistung, wie etwa am Westbahnhof, nicht möglich gewesen. Stündlich aktualisieren Hilfsorganisationen im Internet abrufbare Listen, durch die sich Helfer über benötigte Gegenstände informieren können. (Fabian Schmid, 21.9.2015)