Moskau/Washington – Nach langem Schweigen auf militärischer Ebene wegen des Ukraine-Konflikts haben die USA und Russland wieder Kontakt auf höchstem Niveau aufgenommen. Verteidigungsminister Ashton Carter habe mit seinem Amtskollegen Sergej Schoigu telefoniert, teilte das Pentagon am Freitag in Washington mit. Wichtigstes Thema des Gesprächs sei die Lage im Bürgerkriegsland Syrien gewesen.

Wie Generalmajor Igor Konaschenkow vom Moskauer Verteidigungsministerium der Agentur Interfax mitteilte, erörterten die beiden Minister auch eine Koordination ihres Vorgehens in punkto Syrien. Auch der russische Vizeaußenminister Michail Bogdanow und US-Botschafter John Tefft in Moskau hätten ausführlich über die Lage im Nahen Osten gesprochen, teilten Diplomaten mit. Die USA hatten den Militärdialog mit Moskau im März 2014 wegen der Ukraine-Krise eingefroren.

Militärdialog befürwortet

US-Außenminister John Kerry befürwortet einen Militärdialog seines Landes mit Russland über den Syrien-Konflikt. "Der Präsident glaubt, dass Gespräche von Militärs zu Militärs ein wichtiger nächster Schritt sind und hoffentlich bald stattfinden werden", sagte Kerry am Freitag bei seiner Ankunft in London. Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte einen solchen Dialog bereits vor einigen Tagen ins Gespräch gebracht.

Kerry betonte, die USA versuchten auszuloten, wo eine gemeinsame Basis mit Russland bestehe. Lawrow hatte am Donnerstag erklärt, der Rücktritt des syrischen Staatschefs Bashar al-Assad – eine Vorbedingung der USA für weitere Gespräche – sei eine Utopie. Kerry betonte am Freitag, der Fokus der USA in Syrien liege derzeit auf dem Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS), die Teile Syriens und des Irak beherrscht und dort ein Kalifat ausgerufen hat. "Langfristig" könne eine politische Lösung in Syrien allerdings nicht gefunden werden, wenn Assad an der Macht bleibe.

Besuch in London

US-Außenminister Kerry hält sich seit Freitag zu einem dreitägigen Besuch in London auf. Er trifft sich unter anderem am Samstag mit seinem britischen Amtskollegen Philip Hammond. Auch ein Treffen mit dem Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate, Abdullah bin Zayed, ist geplant.

Am Donnerstag hatte sich auch Washington wegen des Syrien-Konflikts und dem Anti-IS-Kampf zu Gesprächen mit Russland auf Militärebene bereit erklärt. Der nun aufgenommene direkte Gesprächsdraht soll nach US-Angaben dazu dienen, sich gegenseitig über das Vorgehen in dem Bürgerkriegsland zu informieren und möglichen Zwischenfällen vorzubeugen.

Zuletzt hatte Moskau seine Präsenz in dem Bürgerkriegsland massiv ausgebaut und damit Beunruhigung in Washington ausgelöst. Die USA fliegen mit internationalen Partnern Luftangriffe gegen den IS in Syrien und im Irak. Zugleich drängen sie auf eine Ablösung Assads, der von Russland unterstützt wird. Russland beliefert Syrien mit Waffen und schließt eine Beteiligung am syrischen Bürgerkrieg mit Bodentruppen an der Seite des Assad-Regims nicht aus. Sollte die Bitte um Entsendung von Truppen aus Syrien kommen, werde dies erwogen, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Freitag in Moskau. "Gegenwärtig ist es aber schwer, hypothetisch zu sprechen", ergänzte er. Syriens Außenminister Walid al-Muallem erklärte jüngst, sollten russische Truppen nötig sein, werde man sie anfordern.

Putin hatte zu einer internationalen Koalition zur Bekämpfung des IS aufgerufen. Russland hatte sich ungeachtet der Spannungen mit dem Westen im Ukraine-Konflikt zuletzt mehrfach dafür ausgesprochen, wegen der ernsten Bedrohung durch den IS die politischen Kontakte wiederzubeleben. Eine Vielzahl von Experten geht davon aus, dass der Konflikt in Syrien nicht ohne russische Hilfe zu lösen ist. Putin und US-Präsident Barack Obama wollen am 28. September bei der UNO-Vollversammlung in New York auftreten. Ein bilaterales Treffen ist bisher nicht geplant. (APA, 18.9.2015)