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Noch gibt es Geldscheine, die man auf Demonstrationen verbrennen kann

Foto: Reuters/Behrakis

Die EU-Kommission ist an keiner Debatte über die Abschaffung des Bargelds beteiligt. Mit dieser Klarstellung wollte EU-Finanzmarktkommissar Jonathan Hill – auf Anfrage des ÖVP-Europaabgeordneten Othmar Karas – alle Gerüchte über einen Brüsseler Geheimplan zur Umstellung des gesamten Zahlungsverkehrs auf Plastikkarten und Computer begraben.

Hill spricht die Wahrheit. Die EU-Kommission wäre verrückt, wenn sie nach den Glühbirnen und vielen anderen lieb gewonnenen Dingen des Lebens den EU-Bürgern nun auch noch Geldscheine und Münzen wegnehmen würde. Eine Digitalisierung des Zahlungswesens, so die Befürchtung vieler, wäre ein weiterer Schritt in Richtung Überwachungsstaat, in dem die Behörden alles wissen, was man kauft.

Bargeldlos wird kommen

Aber diese Ängste sind übertrieben. Die bargeldlose Wirtschaft steht zwar nicht vor der Tür, aber irgendwann wird sie kommen. Und auch dann wird es weiterhin Möglichkeiten geben, Geld unbeobachtet auszugeben.

Die Forderung nach Abschaffung des Bargelds kommt vor allem von Ökonomen, die damit drei Ziele verfolgen. Erstens würde es die Geldpolitik der Notenbanken erleichtern, weil diese dann bei schwacher Nachfrage die Zinsen auf täglich verfügbare Einlagen tatsächlich unter Null drücken können.

Derzeit würde das eine Fluchtbewegung in Banknoten auslösen, für die man anders als für Girokonten nichts verrechnen kann. Das ist das Hauptargument von Leuten wie Peter Bofinger, Kenneth Roggoff oder aktuell dem Chefökonomen der Bank of England, Andy Haldane.

Kampf gegen Steuerhinterziehung und Verbrechen

Der zweite Vorteil wäre eine Zurückdrängung von Steuerhinterziehung und Geldwäsche und damit auch ein leichterer Kampf gegen Verbrechen wie Drogenhandel, die meist über Bargeld ablaufen.

Und schließlich ist Bargeld teuer. Geschäfte kostet das Handling von Geldscheinen und Münzen – Zählen, Aufbewahren, Sichern, zur Bank bringen – viel mehr als die Gebühren, die sie auf Bankomat- und Kreditkarten zahlen müssen. Eine Umstellung auf bargeldlosen Zahlungsverkehr würde die Wirtschaft effizienter und produktiver machen.

M-Pesa oder Apple Pay

Deshalb ist es sehr wohl zu erwarten, dass vor allem hochentwickelte Industriestaaten in einigen Jahren völlig auf E-Money umsteigen. Aber das kann auch in Afrika geschehen, wo das Handy immer öfter zum wichtigsten Zahlungsinstrument – Stichwort M-Pesa – wird.

Schweden hat sich bereits zum Ziel gesetzt, bis 2030 das Bargeld abzuschaffen. Wenn das gelingt, werden andere Länder folgen. Apple Pay ist sicher nicht die letzte Technologie auf diesem Sektor.

Bitcoin bietet Diskretion

Aber das heißt nicht, dass die Notenbanken und damit der Staat alle Transaktionen kontrollieren können. Bitcoin bietet bereits eine Möglichkeit, Waren und Dienstleistungen zu bezahlen, ohne dass es von außen nachvollzogen werden kann. Andere Systeme werden folgen, die das gleiche bieten. Und auch wenn die Behörden dagegen ankämpfen, weil dies von Kriminellen genutzt wird, können sie es kaum unterbinden.

Schließlich ist es vorstellbar, dass auch bei der Abschaffung von Bargeld die Münzen für die Bezahlung alltäglicher Dinge erhalten bleiben. Das würde weder die Geldpolitik noch die Verbrechensbekämpfung behindern. Aber ob sie dann noch viel Verwendung finden würden, ist fraglich.

Die EU-Kommission wälzt sicher keine Pläne zur Bargeldabschaffung. Aber nachgedacht wird in Expertenkreisen sehr wohl. Und das mit gutem Grund. Denn das 2800 Jahre alte Bargeld hat ein Ablaufdatum. (Eric Frey, 19.9.2015)