Ein Free2Play-Entwickler gibt einen Einblick hinter die Kulissen der bunten Gratisgames-Welt.

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Das Free2Play-Prinzip spaltet die Spielewelt. Es ermöglicht Menschen den Zugang zu Spielen ohne anfänglicher Kostenhürde und basiert darauf, dass der Entwickler stattdessen auf Werbung und In-App-Käufe setzt, um Geld zu erwirtschaften. Häufig wird bemängelt, dass dies zur Verwässerung des Gameplays führt oder Spiele durch Wartezeiten oder enorm anziehenden Schwierigkeits darauf getrimmt werden, Nutzer geradezu zu kleinen Käufen von Premium-Items zu drängen. Ungeachtet dessen boomen die Games am PC und vor allem im mobilen Bereich.

Doch in der Branche, die sich auf die Gratisgames spezialisiert hat, arbeitet längst nicht jedes Unternehmen mit hohen ethischen Standards. Ein Entwickler hat nun gegenüber Touch Arcade einen tiefen Einblick in seine Erfahrungen gegeben. Eli Hodapp, der seinen Text auf der Plattform veröffentlicht hat, gibt an, den namentlich nicht genannten Verfasser bereits seit einem Jahr zu kennen und Ähnliches auch schon von einigen anderen Entwicklern gehört zu haben.

"Wir besitzen dich"

Dem Entwickler, nach eigenen Angaben aktuell als Senior Producer bei einer Free2Play-Spieleschmiede tätig, geht es dabei weniger um jene Gameplay-Mechanismen, mit denen man Spielern Premium-Käufe abringen will, sondern um den Umgang mit Datenschutz.

"Wir wissen wo du wohnst, wir kennen dein Einkommensniveau, deine Beziehungen, dein Lieblings-Sportteam und deine politische Einstellung", schreibt er unverblümt. "Wir wissen, wann du arbeiten gehst und wo du arbeitest. Wir können einen Event starten, wenn wir wissen, dass du ein langes freies Wochenende haben wirst. Wir besitzen dich."

Vom harmlosen Feedback-Tool...

Der einstige Entwickler für Konsolen-Spiele war nach Sparmaßnahmen und Firmenzusammenlegungen schließlich in der Branche für Mobile Games gelandet. Sein Unternehmen stellte Arcade-Titel her, die für 99 Cent in den App Stores verkauft wurden. Die Spiele waren populär und wurden von den Fans geschätzt, das Geschäft lief gut.

2008, noch vor dem Start von "Angry Birds", hatte man einen Titel am Start, in dem der Nutzer sich für die Performance in jedem Level ein Ranking von ein bis drei Sternen erspielen konnte. Zu dieser Zeit hatte man abseits von Rezensionen der Nutzer und dem Ranking im App Store kaum eine Möglichkeit, sinnvolles Feedback für weitere Analysen einzuholen.

...zur Datensammel-Maschine

Da man sich sorgte, dass das Spiel zu schwer sein könnte, schaffte man einen Online-Mechanismus, um die Erfolgsrate der User zu messen und den Schwierigkeitsgrad für einzelne Karten schnell anzupassen. Nach Änderungen beobachtete man die weiteren Rückmeldungen. Versehentlich hatte der zuständige Entwickler der Firma damit ihren ersten Datensammler beschert, zumal im Weblog auch sämtliche Verbindungen festgehalten wurden, die von den Spielern aufgebaut wurden.

Statt sich damit zufrieden zu geben, grundsätzliche Antworten darüber zu erhalten, wie zufrieden die Spieler mit dem Game waren, wollte das Management genauere Analysen, um die Software künftig genauer auf die Bedürfnisse der Zielgruppe zuzuschneiden. Also wurde schließlich ein externer Tracker integriert und plötzlich wusste man etwa, wie viele Schüsse der jeweilige Spieler abgegeben hatte. Den Firmenchefs war das nicht genug, sie wollten mehr Einkäufe generieren und das virale Potenzial der Games steigern.

Facebook als neues Datenmine

Schließlich schlug das Free2Play-Modell ein, während der Insider mehrfach den Arbeitgeber wechselte. Immer stärker ging es bei der Entwicklung nicht mehr um die Spiele selber, sondern wie diese auf Basis von immer mehr erfassten Daten möglichst lukrativ designen könne.

Der nächste Umbruch war schließlich die Öffnung von Facebook für Spiele. Insbesondere die ursprüngliche Version der bereitgestellten Schnittstellen eröffnete umfassende Möglichkeiten zur Sammlung von Daten über die Gamer. Dies, so der Entwickler weiter, sei mittlerweile eingeschränkt worden, trotzdem könne man immer noch sehr viel herausfinden.

Selbst Spieler, die ihr Facebook-Profil mit Fantasiedaten füllen, seien wertvoll – etwa weil sich bei einer Verbindung zum Game immer noch ihr Standort ermitteln lasse. Dazu lässt sich herausfinden, mit wem man wahrscheinlich befreundet ist, wann man urlaubt oder ob man ursprünglich aus einem anderen Land stammt, weil man etwa Ingame-Items mit einer entsprechenden Landesflagge nutzt.

Methoden der "Walfänger"

Für "Wale", Nutzer die sich besonders ausgabefreudig zeigen, werden weitere Geschosse aufgefahren. Beispielsweise versucht man sich, mit dem Spieler auf Facebook anzufreunden. Allerdings nicht mit einem offiziellen Konto, sondern mit Fakeaccounts. Männliche User könnten etwa auf die Anfrage einer jungen Frau mit großem Dekolleté am Profilbild stoßen. So erschließt man sich zusätzliche Informationen, die gezielt genutzt werden.

So soll es schon vorgekommen hat, dass man Ingame-Items gestaltet hat, nur um sie an einen speziellen Nutzer verkaufen zu können. Für die "Wale" wird mitunter auch das ganze Spiel angepasst, etwa durch das Ändern des Schwierigkeitsgrads.

Informationen auf Umwegen

Gleichzeitig erfolgt die Sammlung der wichtigsten Daten und Analyse durch die Entwickler mittlerweile oft vollständig im eigenen Hause. Zusätzlich werden oft 20 bis 30 verschiedene Trackingtools in ein Spiel integriert – etwa für die Erfassung von Abstürzen, aber auch für den Zugriff von Werbenetzwerken oder der Erfassung demographischer Informationen.

Da diese Unternehmen meist untereinander vernetzt sind und mit den Daten handeln, kommt man so auch auf Umwegen an Daten, die ein User dem Spiel eigentlich gar nicht mitteilt.

"Hört auf, kostenlose Spiele zu spielen"

"Immer, wenn man ein Free2Play-Game spielt, hilft man mit, diese gigantischen Online-Datenbanken zu bauen", so der Insider abschließend. Viele Entwickler würden dabei eigentlich gerne andere Titel produzieren. "Ihr wollt, dass das aufhört?", erklärt der Informant einen Lösungsweg. "Dann hört auf, kostenlose Spiele zu spielen." (gpi, 20.09.2015)