"Noch immer wütend", aber positiv gestimmt: Friedensnobelpreisträger Kailash Satyarthi.

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STANDARD: Als Sie 2014 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden, hat das Sie und Ihre Bewegung ins Rampenlicht gebracht. Was ist ein Jahr später davon geblieben?

Kailash Satyarthi: Ich bin immer noch wütend. Wieso können Kinder immer noch versklavt und verkauft werden wie Tiere? Was aber positiv ist: Der Preis hat geholfen, meine Arbeit in hohen Rängen der Politik bekanntzumachen. Und nun, wo sich die Welt auf eine neue Entwicklungsagenda einigen will, kommen Fragen der Gewalt gegen Kinder, des Kinderhandels und gute Vorschläge zu Bildung darin vor. Das war lange nicht so.

STANDARD: Sie und Ihre Mitarbeiter sind in der Vergangenheit oft bedroht worden. Hat die Bekanntheit auch Schattenseiten?

Satyarthi: Natürlich versuchen sich organisierte Kriminelle, die im Kinderhandel tätig sind, zu rächen. Erst in der vergangenen Woche wurden einige meiner Kollegen sehr unsanft behandelt, als sie in Delhi Kinder retten wollten.

STANDARD: Sie versuchen sich global zu betätigen. Ist es wichtiger, dort etwas zu ändern, wo Kinderarbeit stattfindet – oder dort, wo die Produkte gekauft werden?

Satyarthi: Es braucht globale Lösungen. Länder, in denen es Probleme gibt, müssen gute Gesetze machen und diese umsetzen. Aber es gibt auch die Verantwortung reicher Staaten, Armen zu helfen.

STANDARD: Konsumenten wissen immer mehr Bescheid darüber, unter welchen Bedingungen Waren erzeugt werden. Zugleich sind die Firmen, die im Verdacht stehen, auf Kinderarbeit zu setzen, profitabel wie nie.

Satyarthi: Es gibt immer mehr Firmen, die nachhaltige Lösungen suchen. Keiner kann sich Negativpublicity leisten. Daher ist es gut, wenn sie unsere Partner werden. Es geht nicht nur um Konsumenten, sondern auch um Firmen.

STANDARD: In früheren Interviews haben Sie gesagt, dass Sie noch überlegen müssen, was Sie mit dem Nobelpreis-Geld (rund 400.000 Euro, Anm.) machen wollen. Gibt es einen Entschluss?

Satyarthi: Das war nur anfangs so. Es gibt einen Entschluss. Das Geld geht nicht an mich, nicht an Familie oder Freunde, nicht an meine Organisation. Es geht an Hilfe für die bedrohtesten Kinder der Welt.

STANDARD: Und konkret?

Satyarthi: Konkret geht es an eine neue Stiftung, mit der wir versuchen, Bewegung in den Kampf gegen Kindersklaverei zu bringen und gegen andere Verletzungen der Kinderrechte.

STANDARD: Sie sind in Wien, um an der Verleihung der Alfred Fried Photography Awards teilzunehmen – heuer zur Frage, wie Frieden aussieht. Wie sieht Frieden für Sie als Friedensnobelpreisträger aus?

Satyarthi: Für mich ist Frieden das Lachen eines freien Kindes. Ich habe dabei geholfen, tausende Kinder zu befreien. Das erste Lachen der Freiheit – nichts ist friedlicher. Und das bringt in mir auch einen unglaublichen inneren Frieden hervor. Frieden ist nicht das Fehlen von Krieg, Frieden ist ein Ort der Freiheit und der Furchtlosigkeit. Wenn Menschen, wenn Kinder keine Angst haben, dann gibt es Frieden. (Manuel Escher, 21.9.2015)