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Foto: Reuters

Grenzzäune schießen aus dem Boden, wo früher die totale Mobilität gepriesen worden ist. Staaten versuchen sich hinter Stacheldraht einzuigeln. Diffuse Ängste, politisch wohlgeschürt, werden mit tatsächlichen Problemen vermischt. Probleme, die durchaus herausfordernd sind und dies noch lange Zeit sein werden. Probleme, die Europa nur im gemeinsamen Bemühen wird lösen können und nicht einzelne Länder im Alleingang.

Europas Gesicht verändert sich erneut: Es gibt wieder Grenzkontrollen mit langen Wartezeiten, mit aufmerksam gemusterten Pässen, mit misstrauischen Blicken, die an den Ostblock erinnern. Fast an Checkpoint Charlie, der sich hinterlistig aus der Vergangenheit in die Gegenwart gewarpt hat und an den Schnittstellen zwischen Ungarn, Kroatien, Slowenien aufpoppt wie ein Riss im Raum-Zeit-Kontinuum.

Länder, die einander Flüchtlinge busweise als Reto urkutschen hin- und herkarren. Länder, die sich gegenseitig mit Anschuldigungen eindecken. Länder, die glauben, nur die anderen müssten bei Flüchtlingsversorgung einspringen, Länder, die offensichtlich gegen Europas gültige Rechtsgepflogenheiten verstoßen: Ist das etwa jenes geeinte, fortschrittliche, jenes von so vielen Menschen angestrebte Europa? Und ist diese Metamorphose die letzte in der langen Reihe von Europas gemeinsamen Wandlungen? Man hofft auf Verneinung dieser Fragen. (Julya Rabinowich, 20.9.2015)