Wien – Lieb sind sie ja trotzdem irgendwie. Aber zum Kuscheltier werden es Nacktmulle wohl nie schaffen. Zu Gesicht bekommt man die blinden, fast haarlosen Nager im Tiergarten Schönbrunn im Wüstenhaus. Doch wie in ihrer Heimat in Ostafrika leben sie auch im Zoo hauptsächlich unter der Erde. DER STANDARD durfte ausnahmsweise den für Besucher gesperrten Bau der faszinierenden Tiere im Keller des Terrarienhauses inspizieren.

Durchsichtige Plastikrohre sind dem Bau der Nacktmulle unter der Erde nachempfunden.
Foto: Christian Fischer

Die dünnhäutigen Sandgräber mit ihren vier jeweils einzeln bewegbaren Säbelzähnen haben es schön warm. Auch sonst erinnert das Gehege an einen Heizungskeller, doch durch die durchsichtigen Rohre an den Wänden strömt nicht heiße Luft, sondern das pralle Nacktmullleben. "Einzigartig für Säugetiere, bilden sie wie Ameisen oder Bienen einen Staat mit einer Königin", erklärt Anton Weissenbacher, der Leiter der zoologischen Abteilung.

Hohes Alter ohne Krebs

Dutzende Tiere wuseln durch das Rohrlabyrinth, das den natürlichen Gängen nachempfunden ist. Im Rückwärtsgang sind die kleinen Viecher genauso schnell wie im Vorwärtsgang, alle Tunnel werden penibel sauber gehalten. Für den Mullmüll gibt es genauso eigene Kammern wie für Futter. In einer anderen Ausbuchtung feiert der winzige Nachwuchs gerade Kindergeburtstag. Auch die mit gut 15 Zentimetern Länge riesige Königin schaut vorbei und spendiert eine Runde Milch.

"Nacktmulle werden bis zu dreißig Jahre alt." Aber das ist noch nicht alles, was Zoologe Weissenbacher an Überraschungen parat hat. "Im Gegensatz zu anderen Nagetieren erkranken sie nicht an Krebs." Warum, ist eine Frage, auf die es noch keine Antwort gibt. Aber Krebsforscher rund um den Globus arbeiten daran.

Antiserum zu Notfall in Slowenien geschickt

Gleich neben den Nacktmullen befindet sich der Gifttierraum – mit Schlangen, denen man niemals in die Quere kommen möchte. Das sei aber Zufall, sagt Tierpfleger Rupert Kainradl. Mulle stehen in Schönbrunn nicht auf dem Speiseplan von Hornvipern, Klapperschlangen oder Monokelkobras. Überhaupt sei die Verfütterung von lebenden Wirbeltieren in Österreich (mit wenigen Ausnahmen) verboten. In den Gifttierraum, der auch bei Hinter-den-Kulissen-Führungen absolut tabu ist, dürfen Tierpfleger sicherheitshalber immer nur zu zweit. Die Futterklappen werden nur geöffnet, wenn die Tiere sich gerade in speziellen Boxen in den Terrarien befinden. Die olivgrüne Basilisk-Klapperschlange muss derzeit auf ihre Umsiedelung warten, weil das gelagerte Antiserum zu einem Notfall nach Slowenien geschickt wurde und erst wieder angeliefert werden muss.

Im Gifttierraum: Tierpfleger Rupert Kainradl inspiziert die Basilisk-Klapperschlange.
Foto: Christian Fischer

Die Bewohner des Gifttierraums kommen von auswärts. Offensichtlich sind giftige Schlagen in Österreichs Wohnzimmern recht beliebt. In Wien ist es Privatpersonen verboten, Giftschlangen zu halten, in Niederösterreich ist es erlaubt. Viele Halter sind dann irgendwann überfordert, dann landen die Schlangen im Haus des Meeres oder in Schönbrunn.

Genpool im Aquarium

Vom Giftraum ist es nur ein Katzensprung zur Zuchtstation im Bauch des Aquarienhauses, wo einer der größten Genpools Euopas aufgebaut wurde. "Bei Karpfen der Gattung Aphanius haben wir die weltweit artenreichste Kollektion", sagt Tierpfleger Roland Halbauer nicht ohne Stolz. Durch Zucht- und Tauschprogramme mit anderen Zoos könnten viele Arten erhalten werden.

Blick von oben auf das Aquarium. Unter den beiden Arapaimas befindet sich der Glastunnel für Zoobesucher.
Foto: Christian Fischer

Zum Schluss geht es noch aufs Dach des Aquariums. Über eine steile, enge Eisentreppe gelangt man quasi ans Ufer der riesigen Anlage, durch die unten ein 7,5 Meter langer Glastunnel führt. Von oben betrachtet verschwimmen die Besucher mit den Fischen. An der Oberfläche ziehen zwei Arapaimas ihre Runden. Fast zwei Meter messen die aus Südamerika stammenden Süßwasserfische schon. Einen Meter werden sie noch wachsen. "Den Finger würde ich nicht hineinhalten", rät Tierpfleger Halbauer. Daheim im Amazonas haben Arapaimas auch Piranhas zum Fressen gern. Wieder nichts mit Kuscheln. (Michael Simoner, 21.9.2015)