Daniela Kraus, Geschäftsführerin des fjum_forum journalismus und medien wien.

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Wien – Die Definition von Qualität im Journalismus ist schwierig. Zwar herrscht Konsens, dass es Qualität geben soll – bloß welche, darüber ist man selten einig.

Jetzt hat die Österreichische Akademie der Wissenschaften zum ersten Mal umfassend die "Qualität des tagesaktuellen Informationsangebots in den österreichischen Medien" untersucht – der STANDARD berichtet darüber.

Neben den empirischen Ergebnissen der crossmedialen Untersuchung, die der Branche Stoff für Diskussionen und Vergleiche bieten werden, gibt die theoretische Auseinandersetzung mit dem Qualitätsbegriff Anstoß zu grundsätzlicherer Debatte: Der Autor geht nämlich im Unterschied zu anderen Untersuchungen (zum Beispiel dem Schweizer Jahrbuch Qualität der Medien) davon aus, dass ein einheitlicher Qualitätsbegriff weder möglich noch sinnvoll ist. Der Qualitätsbegriff sei an den gesellschaftlichen und kulturellen Kontext gebunden und "stets aufs Neue in einem von allen Betroffenen zu führenden Aushandlungsprozess zu versichern".

Unterschiedliche Demokratiemodelle

Diese Aushandlung ist in der aktuellen Studie keine beliebige, sondern eine Reflexion des sich wandelnden Demokratieverständnisses: Unterschiedliche Demokratiemodelle – das liberal-repräsentative, das deliberative und das partizipatorische – stellen unterschiedliche Anforderungen an Öffentlichkeit, Medien und Qualitätsjournalismus.

Während das liberal-repräsentative Modell vor allem auf gut informierte Wahlentscheidungen in der repräsentativen Demokratie abzielt, verschiebt sich der Charakter der Nachrichten im deliberativen Modell hin zur Ermöglichung politischer Beteiligung. Medien sind damit nicht mehr nur zur faktenorientierten, unparteiischen Information über politisches System und Geschehen verpflichtet. Sie haben auch die Aufgabe, möglichst viele Stimmen nichtstaatlicher und nichtökonomischer Akteure in den öffentlichen Diskurs einzubinden und Kontextwissen zu vermitteln.

Medien sollen Mitsprache aktivieren

Das dritte Modell schließlich, das partizipatorische, geht einen weiteren Schritt: Es baut darauf auf, dass nicht nur zivilgesellschaftliche Organisationen, sondern darüber hinaus möglichst viele einzelne Bürger eine Stimme in der demokratischen Öffentlichkeit bekommen – Medien sind in diesem Modell dazu aufgerufen, dies nicht nur zu ermöglichen, sondern diese Mitsprache auch zu aktivieren.

Aus jedem dieser Modelle ergeben sich andere Qualitätsfaktoren: Dass Online-Medien durch ihre technischen Möglichkeiten jene des partizipatorischen Demokratiemodells in stärkerem Maß erfüllen können, ist dann ebenso naheliegend wie die dem Programmauftrag geschuldete Verpflichtung der ORF-Informationsangebote gegenüber dem liberal-repräsentativen Modell.

Dieser differenzierte Qualitätsbegriff liefert abseits der empirischen Befunde zu einzelnen österreichischen Medienangeboten die Basis für eine konstruktivere öffentliche Debatte darüber, wie Medien die mit ihren Rechten einhergehenden Qualitätsverpflichtungen erfüllen sollen und können. (Daniela Kraus, 21.9.2015)