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Schon Tage bevor der Papst in der US-Hauptstadt Washington erwartet wurde, gab sich der New Yorker Stadtteil Manhattan feierlich geschmückt.

Foto: Reuters / John Taggart

Esmeralda Dominguez hofft auf den Papst. Sie ist eine von 100 Frauen, die 100 Meilen marschieren, um am Mittwoch vor dem Weißen Haus zu stehen, wenn der Papst dort empfangen wird. Von York, einer Kleinstadt in Pennsylvania, geht es nach Washington, um auf die paradoxen Folgen einer vom Kongress verschleppten Reform des Einwanderungsrechts aufmerksam zu machen.

Dominguez, selbst US-Staatsbürgerin, wartet in Denver seit vier Jahren darauf, dass ihr Ehemann Jesús, einst über die Grenze aus Mexiko gekommen, eine Auf enthaltsgenehmigung erhält. An Krebs erkrankt, konnte sie eine Weile keiner Arbeit nachgehen, sodass ihr Mann die Familie irgendwie über die Runden bringen musste. Der Pontifex, hofft sie, möge deutliche Worte finden zum Dilemma von elf Millionen Menschen, die ohne gültige Papiere eingewandert sind, aber schon seit Jahren im Land leben, ohne die Grauzone verlassen zu können. Dass es nicht um Statistiken geht, sondern um menschliche Schicksale, solle er sagen.

Vorgehen gegen das Misstrauen

So wie Dominguez bauen viele auf Jorge Mario Bergoglio, dessen Vater 1929 von Italien nach Buenos Aires kam und der die Biografien von Migranten allein schon aufgrund seiner Familiensaga verstehen sollte. Mit ihm verbindet sich die Hoffnung, dass eine moralische Autorität die Amerikaner in einem Moment, in dem Donald Trump mit Sprüchen von Massendeportation und Mauerbau Kapital aus einer latenten Verunsicherung schlägt, an den Kern ihrer Geschichte erinnert. "Daran, dass es Migranten und Flüchtlinge waren, die dieses Land aufgebaut haben", wie es Eusebio Elizondo, Weihbischof in Seattle, in einem offenen Brief formuliert.

Franziskus war noch nie in den USA. Den Anfang machte 1965 Paul VI., nachdem fünf Jahre zuvor mit John F. Kennedy erstmals ein Katholik ins Oval Office gewählt worden war. Der musste misstrauischen Landsleuten versichern, dass er vom Vatikan keinerlei Instruktionen bekomme. Während Johannes Paul II. zwischen 1979 und 1999 fünfmal unter Jubel durch die Republik reiste, ist die Erinnerung an den Besuch seines Nachfolgers Benedikt XVI. 2008 fast schon verblasst.

Wider die Wohlstandsschere

Franziskus nun reist in ein Land, in dem soziale Ungleichheit ein zentrales Debattenthema geworden ist, nicht nur die Wohlstandsschere zwischen Arm und Reich, sondern vor allem die wachsende Kluft zwischen Millionären und einer Mittelschicht, deren Realeinkommen seit einer Generation stagniert.

Er kommt in ein Land, in dem der linke Demokrat Bernie Sanders – zunächst belächelt, heute ernsthafter Anwärter auf eine Präsidentschaftskandidatur – Stadien füllt, wenn er mit der Rhetorik von Occupy Wall Street von den 99 Prozent spricht, die von dem einen Prozent abgehängt würden.

Boykottpläne für "Obamas Papst"

In den Reihen der Republikaner wiederum gibt es Stimmen, die nicht nur Sanders, sondern auch Franziskus vorwerfen, die Realität zu verzerren. Newt Gingrich, in den 1990er-Jahren der führende Konservative im Parlament, zitiert Worte, mit denen der Pontifex neulich in Bolivien das kapitalistische Wirtschaftssystem charakterisierte, aber nur, um heftig zu widersprechen. "Die Mentalität des Profits um jeden Preis, ohne Rücksicht auf soziale Ausgrenzung oder die Zerstörung der Natur … Das sind nicht die Vereinigten Staaten", protestiert Gingrich. Vielmehr handle es sich um ein Wirtschaftssystem, das Kreativität und harte Arbeit belohne.

Manche Republikaner sprechen denn auch von "Obamas Papst", weil eben alles, was in Washington geschieht, partout ins Raster der Parteipolitik gepresst werden muss. Ein Abgeordneter, Paul Gosar aus Arizona, denkt sogar öffentlich darüber nach, die päpst liche Rede im Kongress, die erste überhaupt, die ein Kirchenoberhaupt auf Capitol Hill hält, zu boykottieren. (Frank Herrmann aus Washington 22.9.2015)