Der alte Mann und sein eitler Biograf: Jesper Christensen und Daniel Brühl in "Ich und Kaminski".

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Wien – Ich und Kaminski sei ein Film über Blindheit in vielfachem Sinn, schreibt der Autor Daniel Kehlmann über die Adaption seines Bestsellers. Das ist wohl richtig, denn tatsächlich geht es in diesem Film um das Verdrängen, um Selbstbetrug und Selbsttäuschung. Es geht um die Lüge und die Wahrheit – und letztlich darum, wie weit man geht, um die Blindheit anderer bestmöglich für sich zu nutzen.

Die Frage, ob der greise Maler Kaminski (Jesper Christensen) nun eigentlich blind sei oder nicht, wird somit zur wichtigen Nebensache. Das Ich in diesem Film ist der Kunstjournalist Sebastian Zöllner (Daniel Brühl), der sich beim zurückgezogen lebenden Meister eingeschlichen und eingenistet hat, um eine Biografie über ihn zu verfassen. Ausschließlich für den eigenen Vorteil natürlich, denn Ich und Kaminski versteht sich als Satire auf den sogenannten Kunstbetrieb, in dem es vor Heuchlern und Narzissten nur so wimmelt.

Dass Kaminski mit seiner Blindheit vielleicht schon immer ein doppeltes Spiel gespielt hat ("Painted by a Blind Man"), passt da nur allzu gut. In einer der besten Szenen hört man Zöllner, als er gerade von seiner Freundin verlassen wird, sich selbst fragen, ob es nicht angebracht wäre zu weinen. Jede mögliche Emotion gerät zum falschen Spiel, und seien es Krokodilstränen über das eigene Elend.

Zöllner beim Denken zuzuhören ist aber kein Vergnügen. Weil er nämlich gar nicht denkt, sondern wie ferngesteuert ausschließlich seine Ziele – Ruhm und Reichtum – vor Augen hat. Die Fahrt zum hoch in den Alpen gelegenen Chalet, in dem Kaminski nur erlesene Gäste empfängt, sieht Zöllner nicht als Pilgerreise, sondern als ein Entgegenkommen seinerseits. Die Dorfwirtin, bei der er sich ein Zimmer nimmt, durchschaut ihn natürlich mit Bauernschläue.

Spiel und Spott

Das ist jener Blick, den uns auch Wolfgang Becker als Koautor und Regisseur des Films vorschlägt. Immer ist man mit ihm seinen Figuren voraus, kann man Zöllner in seiner Oberflächlichkeit lächerlich finden und sogar die Durchtriebenheit Kaminskis als abgekartetes Spiel erkennen. Weshalb Ich und Kaminski auch offensichtlich darauf Wert legt, seinen Antihelden gerade so schmierig und unsympathisch auftreten zu lassen, dass dieser arme Tor noch ein wenig von unserem Mitleid abbekommt. Denn im Grunde soll er gar nicht das Ziel des Spotts sein, sondern einfach nur als Stellvertreter für ein System agieren: als eine Marionette, die bei jeder Gelegenheit einknickt.

Das eigentlich Erstaunliche an diesem Film ist, dass er im Grunde ähnlich funktioniert wie Zöllner. Beide betrachten die Welt der Kunst als Mittel zum Zweck. In diesem Sinn handelt es sich bei Ich und Kaminski um die perfekte Verfilmung. (Michael Pekler, 22.9.2015)