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VW-Chef Martin Winterkorn könnte wegen der Abgas-Affäre seinen Job verlieren.

Foto: apa / stratenschulte

Wien – Die Dieselabgasaffäre bei VW weitet sich aus. Der Konzern mit Sitz in Wolfsburg geht nun davon aus, dass weltweit rund elf Millionen Fahrzeuge betroffen sind. Wohl wurde im Ursprungsland des Skandals, den USA, fast eine halbe Million Diesel-Kfz abgesetzt, die inkriminierte Steuerungssoftware, mit der Abgaswerte manipuliert wurden, habe aber nur bei einem bestimmten Motortyp "eine auffällige Abweichung zwischen Prüfungswerten und realem Fahrbetrieb" ergeben.

Zum Einsatz kam diese Software allerdings auch in anderen Dieselmodellen des Konzerns, die nicht in die USA geliefert wurden. Bei der Mehrheit habe das Programm aber keinerlei Auswirkungen, versicherte Volkswagen unter Berufung auf interne Prüfungen.

Weitere Kursverluste

Die Auswirkungen für den Wolfsburger Konzern sind dramatisch: VW hat seine Gewinnziele gekappt und sorgt im dritten Quartal mit 6,5 Milliarden Euro für Servicemaßnahmen und weitere Schritte vor, um verlorenes Vertrauen in die VW-Technik zurückzugewinnen. Auf Talfahrt blieb die VW-Aktie, der Kurs gab erneut um ein Fünftel nach, womit der Börsenwert binnen zwei Tagen um 27 Milliarden Euro schrumpfte.

Neben den USA will nun auch das deutsche Bundeskraftfahramt Dieselfahrzeuge unter die Lupe nehmen. Auf Manipulationen hinsichtlich geschönter Abgaswerte – als besonders gesundheitsgefährdend gilt Stickoxid (NOx) – wollen auch Behörden in Italien, Frankreich, Südkorea und der Schweiz Sonderprüfungen vornehmen. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) setzt eine Untersuchungskommission ein. Die Kommission unter Leitung von Verkehrsstaatssekretär Michael Odenwald werde noch diese Woche nach Wolfsburg reisen.

Fehlende Prüfkapazitäten

Für Österreich schließt Verkehrsminister Alois Stöger großflächige Täuschungen aus. "Wir überprüfen immer regelmäßig die Fahrzeuge", verwies Stöger nach dem Ministerrat auf die regelmäßigen Überprüfungen für die Begutachtungsplakette ("Pickerl"). Eigens überprüft werden von der zum Ministerium ressortierenden Bundesprüfanstalt für Kraftfahrzeuge in Wien-Floridsdorf freilich die wenigsten Fahrzeugimporte. Denn Kraftfahrzeuge müssen in der EU nur einmal zugelassen und typisiert werden, betonte eine Sprecherin auf Anfrage des STANDARD.

Heißt auf gut Deutsch: Bei deutschen Autos liegt der europäische Typenschein COC automatisch vor und bei Importen aus Fernost besorgt sie der Generalimporteur in der Regel für große Absatzmärkte. Wiewohl TU Graz und TU Wien über Technik und Prüfstände für Verbrauchs- und Emissionsmessungen verfügen: Insider verweisen darauf, dass Österreichs Behörden für COC-Detailprüfungen nicht über genug Kapazität verfügten.

Vorerst kein Winterkorn-Rücktritt

VW-Chef Winterkorn bat um Entschuldigung und versprach den Kunden via Video rasche und transparente Aufklärung – und Wiedergutmachung: "Es tut mir unendlich leid, dass wir dieses Vertrauen enttäuscht haben. Ich entschuldige mich in aller Form bei unseren Kunden, bei den Behörden und der gesamten Öffentlichkeit für das Fehlverhalten."

Das macht die Entscheidung für den Aufsichtsrat jedoch nicht einfacher. Am Mittwoch tagt das Präsidium, am Freitag sollte Winterkorns Vertrag wie vorgesehen um zwei Jahre (bis 2018) verlängert werden. Aufsichtsratsmitglied Olaf Lies forderte personelle Konsequenzen, allerdings erst nach gründlicher Aufklärung, wie der niedersächsische Wirtschaftsminister im Deutschlandfunk sagte. Rücktritt oder gar Abberufung wiederum kämen einer Vorverurteilung des 68-Jährigen gleich. (Luise Ungerboeck, 23.9.2015)