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Therapie und Behandlungsziele müssen den Unterschieden innerhalb der Patientengruppe gerecht werden, betonen Forscher in einer Stellungnahme.

Foto: AP/Melissa Sloan

Halle – Hochbetagt zu sein ist in Deutschland keine Ausnahme mehr. Rund viereinhalb Millionen Menschen sind 80 Jahre alt und älter. Dies ist auch das Verdienst eines hohen medizinischen Standards. Für die älteste Gruppen von Patienten fehlt aber evidenzbasiertes Wissen darüber, wie ältere Menschen mit Mehrfacherkrankungen optimal versorgt werden können, betonen Experten der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.

Therapie und Behandlungsziele müssen den Unterschieden innerhalb der Patientengruppe gerecht werden, die zum Beispiel kulturell, wirtschaftlich oder biografisch bedingt sein können. Die Akademien nennen in ihrer Stellungnahme drei Ansatzpunkte, um die Versorgung zu verbessern: Forschung, Versorgungspraxis sowie Aus- und Weiterbildung.

Forschungsmankos

Im Bereich Forschung empfehlen die Akademien, auch alte Menschen, die an mehreren Krankheiten leiden, in Arzneimittelstudien einzubeziehen. Dabei sollten auch neue Formate wissenschaftlicher Studien genutzt werden. Zum Beispiel solche, die die Lebensumstände der Patienten einbeziehen, um die Bedürfnisse älterer Menschen besser abzubilden. Die Behandlungsziele Älterer sollten gezielt in den Blick genommen werden. So sind Hören, Sehen und Mobilität als Voraussetzungen für den Erhalt von Selbstständigkeit und Teilnahme am gesellschaftlichen Leben relevante Ziele.

Zudem sollten die Wechselwirkungen von parallel eingenommenen Medikamenten intensiver erforscht werden, ebenso wie Wege, Medikamente wieder abzusetzen. Als weiteres Forschungsthema nennen die Forscher den Erhalt der Selbständigkeit durch technische Hilfsmittel, Wohnraumanpassung und Telemedizin. Hier fehlen Studien mit größeren Fallzahlen und Kontrollgruppen.

Versorgungsmodelle für chronisch Kranke

Für die Versorgung empfehlen die Akademien unter anderem, Versorgungsmodelle gezielt für chronisch kranke und mehrfacherkrankte ältere Menschen zu entwickeln. Zudem wird Verbesserungsbedarf beim Überleitungsmanagement und dem Informationsfluss, zum Beispiel zwischen Krankenhäusern und Hausarztpraxen, gesehen. Um Über-, Unter- und Fehlversorgung zu vermeiden, soll möglichst direkt bei der Aufnahme in ein Krankenhaus eine Einschätzung der körperlichen, psychischen und sozialen Situation – im Sinne eines geriatrischen Assessments – vorgenommen werden.

In Pflegeheimen sollten Gesundheitsdienstleister und Bewohner sich frühzeitig über Gesundheitsziele und die Gestaltung des letzten Lebensabschnittes verständigen. Die Rückkehr in die häusliche Umgebung nach einem zeitweiligen Heimaufenthalt müsse erleichtert werden, so die Experten.

Geriatrische Kenntnisse als Voraussetzung

In der Ausbildung und Weiterbildung befürworten die Akademien verpflichtende geriatrische Grundkenntnisse in allen medizinischen Fachdisziplinen und Gesundheitsberufen. Um evidenzbasierte Therapien und Versorgungskonzepte für ältere Patienten zu entwickeln, sollte zudem die Methodenausbildung verbessert und an der Weiterentwicklung von Studiendesigns gearbeitet werden. Hier empfehlen die Akademien als ersten Schritt einen Lehrstuhl einzurichten, der klinische, biostatistische und geriatrische Expertise miteinander verbindet. (red, 22.9.2015)