Während auch der physikalische Laie schon einmal von Protonen und Neutronen, Quarks oder sogar dem selteneren Higgs-Boson gehört hat, führen "Quarkonia" in der Öffentlichkeit eher ein Schattendasein. Dabei handelt es sich um sehr massereiche, aus einem Quark und seinem Anti-Quark aufgebaute Teilchen: Sie wiegen mehr als zehnmal so viel wie ein Proton. Die Erforschung der Quarkonia verspricht tiefere Einblicke in ganz grundlegende Fragen der Teilchenphysik: Wie kommt es zur Bindung von einem Quark und einem Antiquark? Wie werden Kernteilchen überhaupt erzeugt?
"Diese Teilchen sind zu kurzlebig, als dass man sie direkt registrieren und analysieren könnte", sagt Valentin Knünz, der für seine Dissertation über dieses Thema kürzlich mit dem Victor-Hess-Preis der Österreichischen Physikalischen Gesellschaft und dem Wissenschaftspreis des Landes Vorarlberg (Spezialpreis) ausgezeichnet wurde. "Sie zerfallen aber in andere Teilchen, die dann am Detektor des Large Hadron Collider registriert werden und von denen wir auf das ursprüngliche Teilchen rückschließen können."
Der Large Hadron Collider am Cern, der Europäischen Organisation für Kernforschung in Genf, bietet optimale Bedingungen, um die Entstehung und die Eigenschaften von Quarkonia zu untersuchen.
Bei den Experimenten, die der Teilchenphysiker auswertete, wurden durch aufeinander abgefeuerte Protonenstrahlen an die 100 Millionen Kollisionen pro Sekunde erzeugt. Aufgezeichnet kann davon aber immer nur ein kleiner Teil werden, etwa 100 pro Sekunde, der dann gespeichert und in Speicherzentren auf der ganzen Welt verteilt wird.
"Ich bin in ein goldenes Zeitalter hineingeboren worden", freut sich der Physiker und meint damit, dass die über Jahre dauernden Aufbauarbeiten des Teilchenbeschleunigers und der Detektoren in Genf genau zu dem Zeitpunkt abgeschlossen waren, als er vor fünf Jahren mit seiner Forschungsarbeit begann. "Ich hatte somit das große Glück, dass ich direkt in die Datenanalyse einsteigen konnte." Im Rahmen seiner Dissertation untersuchte Knünz ausgewählte Daten der LHC-Experimente eines ganzen Jahres.
Generell werden die enormen Datenmengen, die mittels der Detektoren des Teilchenbeschleunigers gesammelt werden, vorsortiert und dann über ein weltumspannendes Computernetzwerk – den LHC Computing Grid – an alle 140 beteiligten Institute weitergeleitet. Eines davon ist das Wiener Institut für Hochenergiephysik der Akademie der Wissenschaften und der Technischen Universität Wien, an dem Knünz vor seiner Dissertation bereits seine Diplomarbeit durchgeführt hat.
Die Liebe zu großen Datenmengen ist ihm dabei scheinbar angeboren: "Ich habe mich immer für Zahlen interessiert, und es war klar, dass ich in der Richtung auch etwas studieren möchte." Und dieser Leidenschaft wird der Vorarlberger auch weiterhin treu bleiben: Für die Zeit nach dem Doktorat hat Knünz eines der begehrten Cern-Fellowships erhalten und wird die Erforschung der Teilchenwelt in den nächsten Jahren direkt vor Ort beim Teilchenbeschleuniger in Genf fortsetzen. (Renate Degen, 27.9.2015)