Wien – Immer mehr Menschen, vor allem sogenannte "Millennials", schauen nicht mehr klassisch, sondern online fern. Die Schere schließt sich, sagte Shahrzad Rafati, Gründerin und CEO von BroadbandTV, bei den Österreichischen Medientagen. ORF-Chef Alexander Wrabetz sieht vor allem das Smartphone als bestimmende Plattform der Zukunft. Für den ORF forderte er mehr Bewegungsspielraum auf den mobilen Kanälen.

Youtube und seien Stars

Große Medienhäuser könnten nicht nur von Unternehmen wie Google oder Facebook, sondern auch von Youtube-Stars und ihren immer stärker werdenden Erfolgen lernen, meinte Rafati. Online-Video sei einer der am schnellsten wachsenden Märkte, bei dem auch das Engagement der User besonders hoch sei. "Jeder kann eine Geschichte erzählen, jeder kann Content kreieren", erklärte Rafati am Dienstag. Umso mehr müsse man die Nutzer schon bei der Entwicklung neuer Produkte einbinden und noch mehr auf maßgeschneiderte Angebote achten. Zwar konsumieren junge User oft mehrere Medien gleichzeitig, trotzdem sei ihr Verhalten auf jeder Plattform anders. Deshalb brauche es auch für jedes Angebot eine eigene individuelle Strategie.

In Sachen Erlösmodelle riet die Online-Video-Pionierin zum Blick über den Tellerrand. "Denkt über Werbung alleine hinaus", appellierte sie. Apps könnten ebenso eine wichtige Rolle bei Gewinnen aus Onlinefernsehen spielen wie mobile Einkäufe. Vor allem dürfe man den globalen Markt nicht vergessen.

Wrabetz zum Smartphone

Für ORF-Generaldirektor Wrabetz entwickelt sich vor allem das Smartphone zu der bestimmenden globalen Medienplattform. Sei es bei den Flüchtlingsbewegungen in Osteuropa 1989 noch das Fernsehen gewesen, über das die Flüchtenden ihre Informationen bezogen, so informierten und koordinierten sich die Flüchtlinge der aktuellen Migrationsbewegung via Smartphone. "Das Smartphone hat in diesem Sommer 2015 möglicherweise seine höchste Wirkungsmacht erreicht", so Wrabetz. Die Frage sei, ob es damit auch das Fernsehen als Primärmedium ablösen werde.

"Fernsehen und Smartphone spielen derzeit 'Game of Thrones'", so Wrabetz. "Die spannendsten TV-Reportagen im Moment sind jene, die Flüchtlinge auf ihrem Smartphone gedreht haben und Fernsehredakteure, arrangiert, montiert und bestenfalls auf ihren Realitätsgehalt gecheckt und verifiziert haben." Dies sei auch journalistisch eine große Herausforderung.

Die Smartphone-Reichweite stehe weltweit kurz vor der Erreichung von 90 Prozent und befinde sich damit in Reichweite von Fernsehen und Radio. 29 Millionen Briten nutzen den BBC-iPlayer, 1,4 Millionen Österreicher die ORF-TVthek als App. "Wir müssen hier eine Rolle spielen, und wir wollen das auch tun. Wir brauchen aber auch einen Bewegungsspielraum, um auf diesen Plattformen spielen zu können", forderte Wrabetz mehr gesetzliche Möglichkeiten für den öffentlich-rechtlichen Sender.

Multi-Channel-Network mit Webstars

Auch ProSiebenSat.1-Managerin Nicole Agudo Berbel sieht den künftigen Schwerpunkt im TV-Konsum in der mobilen Nutzung. Zwar stehe das Medium Fernsehen mit 30 Minuten mehr an täglicher Fernsehnutzung als vor 20 Jahren, und damit vor dem Internet-Zeitalter, nach wie vor sehr gut da, aber auch ProSiebenSat.1 suche nach neuen Verbreitungswegen, etwa über YouTube. "Man muss das neue Nutzungsverhalten in die eigene Strategie aufnehmen", so Agudo. In Österreich startet der Medienkonzern etwa eine eigene Unit "Studio71 Vienna", ein Multi-Channel-Network bei dem man etwa mit österreichischen Webstars wie der Fashion- und LifeStyle-Bloggerin DariaDaria zusammenarbeite, berichtete Agudo. (APA, 22.9.2015)