Mit seinem Rauschebart erinnert er ein wenig an seinen Namensvetter Jemeljan Pugatschow. Doch mit dem berühmten Führer des Bauernaufstands Ende des 18. Jahrhunderts hat der Oligarch Sergej Pugatschow wenig gemein – außer vielleicht der Tatsache, dass er für Nervosität im Kreml sorgt: Pugatschow hat nämlich vor dem Schiedsgericht in Den Haag eine Klage über zwölf Milliarden Dollar gegen den russischen Staat eingereicht. Erst vor einem Jahr hatte der Yukos-Konzern vor dem Gericht eine Klage über 50 Milliarden Dollar gegen Moskau gewonnen – seitdem läuft ein Pfändungswettrennen um russische Staatsaktiva im Ausland.

"Die letzten Jahre verfolgt Russland mich, meine Familie und meine Investitionen aus allen Richtungen. Ich lasse mich aber von so einer Taktik nicht einschüchtern", begründete Pugatschow seine Klage. Der langjährige Besitzer der Meschprombank spricht von Enteignung.

In einem früheren Interview inszenierte sich der Bankier als politisches Opfer des Kremls. Er habe einst sehr enge Beziehungen zu Wladimir Putin gehabt, aber seine geistige "Unabhängigkeit" habe zum Bruch geführt, behauptete er. Tatsächlich hat er, der Mitte der 90er-Jahre in die Mabetex-Affäre um Bestechung bis in höchste Kremlkreise verwickelt gewesen sein soll, zum Ende der Jelzin-Ära als einer der Einflüsterer des russischen Präsidenten die Ernennung Putins als dessen Nachfolger mitlobbyiert. Er war anschließend in Putins Wahlstab.

Geschäfte unter Putin

Im Gegensatz zu einer Reihe von Oligarchen, die schnell in Ungnade fielen, konnte sich "Putins Banker" lange auf Rückendeckung im Kreml verlassen. 2001 sicherte er sich politische Immunität durch einen Senatorenposten der russischen Teilrepublik Tuwa. Seine Geschäfte blühten: Pugatschow war Besitzer zweier Großwerften, eines sibirischen Industriekonzerns und bekam sogar ein lukratives Hotelbauprojekt am Roten Platz zugeschoben. Er habe auf dem Höhepunkt seines Erfolgs etwa 15 Milliarden Dollar besessen, schätzt Pugatschow.

Sein Fall begann mit der Finanzkrise 2008. Den Bankrott seiner Bank verhinderte der Kreml nicht. Im Gegenteil: Anschließend schoben die Ermittler Betrugsvorwürfe nach: Pugatschow verlor sein Business-Imperium, setzte sich ins Ausland ab, erst nach London und dann nach Nizza. Aus sicherer Entfernung nimmt er nun von dort den Kampf mit dem Kreml auf.

Der Ausgang ist ungewiss. Russlands Vizefinanzminister Sergej Stortschak zeigte sich zumindest gelassen: Er sehe keine großen Risiken auf Russlands Finanz- und Justizsystem zukommen. "Pugatschows Chancen sind gering", sagte er. (André Ballin aus Moskau, 23.9.2015)