Bild nicht mehr verfügbar.

Stephan Templ hat Österreichs Restitutionspolitik einst scharf kritisiert – jetzt muss er wegen eines eigenen Fehlers ins Gefängnis.

Foto: APA/Neubauer

Stephan Templ muss am Montag eine einjährige Haftstrafe antreten, weil er vor zehn Jahren beim Antrag auf Restitution für einen Anteil an einer wertvollen Wiener Liegenschaft die Existenz einer Tante verschwiegen hat. Beim Verkauf erlöste seine Mutter 1,1 Millionen Euro, davon wäre die Hälfte ihrer verhassten Schwester zugestanden. Templ wurde wegen schweren Betrugs rechtskräftig verurteilt.

So weit, so klar. Allerdings haben Templs Anwälte im Lauf des Verfahrens zahlreiche Lücken aufgezeigt, auf die weder die Gerichte noch das Justiz- und das Außenministerium, die das Urteil wortreich verteidigen, eine Antwort vorweisen konnten.

Keine Verpflichtung, Tante zu erwähnen

Templ war laut Restitutionsgesetz nicht verpflichtet, vor der Schiedsinstanz die Tante zu erwähnen. Berechtigte Erben ausfindig zu machen ist die Aufgabe des Staates, der das ganze Verfahren höchst fehlerhaft durchgeführt hat.

Und vor allem wurde in allen Urteilen die Republik als finanziell Geschädigte genannt, obwohl sie keinen Schaden davongetragen hat. Das wurde mit der Fiktion begründet, dass die Tante, hätte sie von der Restitution gewusst, ja auf ihren 550.000 Euro wertvollen Anteil an der Immobilie – dem ehemaligen Sanatorium Fürth in Wien-Josefstadt – zugunsten des Bundes hätte verzichten können. Warum sollte sie?, muss sich jeder fragen. Und sie hat auch nicht (sondern kämpft um ihren Anteil vor einem Zivilgericht).

Unmoralisches Handeln

Es sind diese Aspekte, die irgendwo auf dem Weg durch die Gerichtsinstanzen zu einem Umdenken hätten führen können. Templ hat sicherlich unmoralisch gehandelt, wobei es ihm wahrscheinlich weniger um das Geld ging als darum, der Tante keinen Gefallen zu tun (sie wusste damals nichts vom Restitutionsanspruch und hatte mit ihrer Schwester schon vor Jahrzehnten um Geld gestritten).

Aber Gerichte sind nicht dazu da, Moral zu predigen, sondern Recht zu sprechen. Auch gescheiterte Bankmanager gehen frei, wenn man ihnen keinen Gesetzesverstoß nachweisen kann. Und dieses Urteil ist so fragwürdig, dass es jedem unbeteiligten Beobachter sauer aufstößt.

Internationaler Aufschrei

Und das ist tatsächlich geschehen. Sei es, weil Templ unter ausländischen Journalisten sehr gut vernetzt ist oder weil hier ein Nachkomme jüdischer NS-Opfer verurteilt wird, der zuvor in einem Buch und vielen Artikeln die österreichische Restitutionspraxis scharf kritisiert hat – der Fall schlägt international hohe Wellen. Österreich steht als Land am Pranger, das die Justiz politisch missbraucht, um einen jüdischen Kritiker zum Schweigen zu bringen.

Das mag zwar nicht das wahre Motiv der Justiz gewesen sein. Und es ist auch auffällig, dass Templ von der Israelitischen Kultusgemeinde, die sonst rasch Antisemitismus anprangert, überhaupt keinen Rückhalt erhält.

Menschenrechtsanwalt verfolgt Causa

Aber die unnötige Härte in diesem Fall wird Österreich noch Jahre nachhängen. Der renommierte Menschenrechtsanwalt Robert Amsterdam hat sich der Sache angenommen und wird sie weiter verfolgen, wenn Templ seine Strafe längst abgesessen hat. Und die offenen Fragen zu diesem Urteil werden auch in einigen Jahren nicht beantwortet sein.

Es hätte bessere Wege gegeben, um diese Causa zu lösen. Man hätte sie den Zivilgerichten überlassen können, wo sie hingehört. Das Berufungsgericht hätte das Urteil auf eine Geldstrafe mit bedingter Haft herabsetzen können.

Templ und seiner Mutter sind die 550.000 Euro nicht zugestanden. Er hat sich in einer unklaren Rechtslage unehrlich verhalten. Aber er verdient es deshalb nicht, ins Gefängnis zu gehen. Das hätte auch die Republik nicht nötig gehabt. (Eric Frey, 23.9.2015)