Wien – Die ewig gleichen binnenösterreichischen Schrebergartenduelle – von diesen wollte man sich bei der Diskussion zur digitalen Agenda auf den Österreichischen Medientagen am Mittwoch eigentlich verabschieden. "Machen wir den Schulterschluss doch einfach", meinte etwa der kaufmännische Direktor des ORF, Richard Grasl, und lud prompt Verleger und Privatsender zu seinen Pitch-Tagen ein. Dort stellen Startups dem ORF seine Ideen vor, in der Hoffnung auf Geld und Zusammenarbeit.

Dieses Angebot stieß bei Puls 4-Geschäftsführer Markus Breitenecker jedoch auf relativ wenig Begeisterung – Start-up-Shows mache man schließlich selbst schon seit Jahren. Den Schulterschluss begrüßte er allerdings – sah ihn jedoch auf einer etwas anderen Ebene. Statt sich in Österreich gegenseitig Konkurrenz zu machen, solle man lieber gemeinsam gegen die "Big Five" des Silicon Valley wie Facebook und Youtube antreten.

"Marktfeine sind nicht auf dem Podium"

Breitenecker plädierte nicht nur dafür, die Silicon-Valley-Giganten in die Mediaanalyse und den Teletest aufzunehmen. Er wünscht sich auch, das bereits im Mediensektor vorhandene öffentliche Geld – etwa eine Milliarde Euro aus ORF-Gebühren und Inseraten der öffentlichen Hand – neu aufzuteilen. "Wir müssen das Geld für Projekte einsetzen, die dem Medienstandort nützen, nicht um den internen Schrebergartenwettbewerb zu fördern."

Solche Projekte könnten etwa Start-ups, eine Suchmaschine, Social Media oder Videokanäle sein. Zudem sei es nicht sinnvoll, ständig Werbung für die "Hauptkonkurrenten", also Facebook oder Twitter, zu machen – etwa wenn Moderatoren diese Kanäle nutzen. "Diese Plattformen sind Medien, haben Inhalte, verkaufen Werbung und werden uns diese Werbung wegnehmen", so Breitenecker.

Dieser Meinung schloss sich Markus Wagner, Geschäftsführer von i5invest, an: "Alle Marktfeinde nicht auf dem Podium, sondern außerhalb davon", meinte er. Um diesen etwas entgegenzusetzen, sprach er sich vor allem für die Investition in Humankapital und in mehr Internationalisierung österreichischer Unternehmen aus. "Man hatte international noch nie so viele Mitbewerber, aber es war auch noch nie so einfach, international tätig zu sein."

VÖZ-Präsident vermisst Regierungsengagement

Auch Grasl machte die amerikanischen Unternehmen als Konkurrenten aus, die zudem anders behandelt würden: Als Netflix in den europäischen Markt gekommen ist, sei der rote Teppich ausgerollt worden. Beim Kauf von Flimmit durch den ORF habe das ein bisschen anders ausgesehen. "Da machen wir es uns im Schrebergarten vielleicht auch ein bisschen schwer." Grundsätzlich sah er den Schulterschluss aber auf keinem so schlechten Weg wie Breitenecker und verwies etwa auf die hauseigene Fußball-App, die Spiele aller Sender, auch der Privaten, ankündige oder die Video-Plattform in Zusammenarbeit mit dem Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ), auf der der ORF seine Beiträge anderen Medienhäusern zur Verfügung stellt.

VÖZ-Präsident Thomas Kralinger sah dagegen eher die Europäische Union in der Pflicht. Die österreichischen Unternehmen seien angesichts der Rahmenbedingungen gut vorbereitet, aber sowohl Datenschutzrecht als auch Urheberrecht würden derzeit in Brüssel liegen – Bewegung gebe es kaum. Der wesentliche Punkt sei, auch im internationalen Wettbewerb zu bestehen und da brauche es nicht nur Engagement der österreichischen Medien, sondern vor allem auch Investitionen der Regierung in den Standort, die Infrastruktur und Aus- und Fortbildung. Bayern fördere etwa entsprechende Projekte und investiere über den "Digitalbonus" bis zu 200 Millionen Euro, ein ähnliches Engagement vermisse er in Österreich. "Alleine werden wir das nicht stemmen können", so Kralinger.

Mahrer will europäischen digitalen Binnenmarkt

Zuvor hatte bereits Wirtschaftsstaatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) von einem nächsten "notwendigen Aufklärungsschritt" gesprochen: "Ich glaube, dass der technologische Wandel so massiv und so disruptiv ist, dass ein neuer Aufklärungsschritt notwendig ist." Diesen vermisse er derzeit allerdings in der österreichischen Medienlandschaft, "was es stattdessen gibt, ist elitärer Pessimismus." Aber auch die Politik habe eine lange Hausaufgabenliste. Mit dieser gelte es vor allem auf EU-Ebene zu beginnen: Um international zu bestehen, brauche es einen europäischen digitalen Binnenmarkt, erklärte der Staatssekretär. Gelinge es nicht, die Rahmenbedingungen zu ändern, bestehe Gefahr, dass Österreich von einem Wirtschaftsstandort zu "Wirtschaft stand dort" entwickle, meinte Mahrer, der eine sachliche und "tabulos geführte" Debatte einforderte. (APA, 23.9.2015)