Osteuropäische Arbeitskräfte zieht es in Österreich oft in die Gastronomie. Ökonomen sehen Indizien dafür, dass Zuwanderer bereits in Österreich lebende Menschen teilweise am Arbeitsmarkt verdrängen.

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Der starke Flüchtlingsandrang der vergangenen Wochen hat in Österreich nicht nur eine Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst. Viele Menschen fragen sich auch: Können wir diese Aufgabe stemmen? Immerhin ist die Arbeitslosigkeit hierzulande auf einem historischen Höchststand, und auch die Konjunktur schwächelt schon das vierte Jahr in Folge. Und obwohl die meisten Flüchtlinge derzeit einfach nach Deutschland weiterfahren, sind auch die Asylanträge in Österreich stark gestiegen, bis Ende Juli wurden 37.000 Anträge gestellt, mehr als dreimal so viele wie vor einem Jahr.

Damit Integration gelingt, müssen Menschen so schnell wie möglich einen Job finden, darin sind sich alle Experten einig. Aber kann der heimische Arbeitsmarkt genügend Stellen schaffen, ohne dass schon hier lebende Personen aus ihren Jobs gedrängt werden? Um diese Frage zu beantworten, hilft ein Blick auf die ökonomische Literatur und in die Vergangenheit. Aber der Reihe nach.

Mehr Jobs und Arbeitslose

Wirtschaftswissenschafter sehen Migration grundsätzlich positiv. Die Migranten können ihre Einkommen meist beträchtlich erhöhen. Die Wirtschaft findet trotzdem oft billigere Arbeitskräfte. Dadurch profitieren auch Konsumenten, denn der Wettbewerb zwingt die Firmen, zumindest einen Teil der Kostenersparnisse in Form günstigerer Preise an sie weiterzugeben. Wer aber ähnliche Qualifikationen wie die Zuwanderer aufweist, kommt unter Druck.

Das Ganze lässt sich an den frühen 1990ern in Österreich veranschaulichen. Der Fall des Eisernen Vorhangs, gefolgt von den Jugoslawienkriegen, ließ zwischen 1989 und 1992 netto über 270.000 Menschen nach Österreich einwandern. Das hat die Wirtschaftsleistung des Landes langfristig um 3,5 Prozent erhöht. Zu diesem Ergebnis kommt eine umfassende Studie des Wifo. Die Zahl der Jobs ist um 4,5 Prozent gestiegen, auch wenn die Arbeitslosigkeit temporär um fast einen Prozentpunkt nach oben geklettert ist.

Vor allem für bereits hier lebende Menschen mit kaum einer Ausbildung gab es zusätzliche Konkurrenz, die Löhne sanken dadurch etwas. Über längere Sicht sollten die Effekte auf Löhne und Arbeitslosigkeit aber fast zur Gänze abebben, so Berechnungen des Wifo.

Verdrängung im Osten

Auch die Ostöffnung im Mai 2011, als acht der zehn neuen EU-Mitgliedsstaaten aus Osteuropa vollständigen Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt erhielten, bestätigt diesen Trend. Innerhalb von einem Jahr haben 35.000 Osteuropäer zusätzlich eine Beschäftigung in Österreich gefunden. Das hat sich auf einige Branchen und Bundesländer konzentriert, vor allem auf die Gastronomie, den Bau und den Handel in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland.

Dort gebe es auch Indizien dafür, dass Migranten bereits in Österreich arbeitende Menschen verdrängen, so der Ökonom Johannes Schweighofer in einem Arbeitspapier vom Vorjahr. Auch AMS-Chef Johannes Kopf sieht im Osten Österreichs Verdrängungseffekte. Die neuen, besser qualifizierten Migranten würden oft schon vor längerer Zeit zugewanderte Menschen verdrängen, so Kopf. Darauf deuten auch die Arbeitslosenzahlen hin, die vor allem bei Menschen ohne österreichischem Pass stark steigen.

Jobsuche wohl schwierig

Was heißt das alles nun für den Flüchtlingsandrang? "Wenn bei der schwachen Wirtschaftslage mehr Menschen zuwandern, wird die Arbeitslosigkeit weiter steigen", sagt Kopf zum STANDARD. Noch wisse man aber zu wenig darüber, wie viele Asylwerber noch kommen würden, wer da bleiben dürfe und welche Qualifikationen sie mitbringen. "Wer jetzt zuwandert, kann kein Deutsch, ist möglicherweise traumatisiert und großteils schlecht qualifiziert", sagt Kopf.

Viele würden erst einmal eher arbeitslos werden, als Menschen aus ihren Jobs zu drängen. Ein Experte im Sozialministerium meint: "Ich glaube, dass wir uns da ein größeres Problem aufbürden." Noch tappe man im Ministerium aber im Dunkeln, über die Asylwerber wisse man wenig.

Schnelles Asylverfahren

Der IHS-Ökonom Helmut Hofer sieht jetzt vor allem schnelle Asylverfahren als Priorität. "Natürlich wäre es besser, wenn Hochqualifizierte kommen, aber wir können nicht sagen: ,Du bist nicht qualifiziert, ich will dich nicht haben.'"

Wer da bleibe, müsse Deutsch lernen, seine Ausbildung schnell anerkannt bekommen und wenn nötig weitergebildet werden. Mehr arbeitende Menschen seien aber grundsätzlich positiv für das Land. "Langfristig brauchen wir wegen der Alterung der Gesellschaft sowieso Einwanderer." (Andreas Sator, 24.9.2015)