Philipp Seifried arbeitete zwei Jahre lang an seiner Space-Opera "Ace Ferrara". Eine Lehre fürs Leben.

Bild: Philipp Seifried
Bild: Ace Ferarra & the Dino Menace
Bild: Ace Ferarra & the Dino Menace
Bild: Ace Ferarra & the Dino Menace
Philipp Seifried

"Ich bin ein glücklicher Mensch", sagt Philipp Seifried und lacht. "Ich fühle mich gut, wenn ich irgendetwas gebaut habe, das ich mir gern anschaue und an dem ich eine Zeit meines Lebens festmachen kann." Zwei Jahre seines Lebens hat der 35-jährige Wahlwiener mit Grazer Wurzeln an seinem im vergangenen Jahr erschienenen Mobile-Game "Ace Ferrara & the Dino Menace" gearbeitet, einem Weltraumspiel im Stil von 80er-Zeichentrickserien. Seifried hat alles selbst gemacht – Story, Grafik, Programmierung, Musik und Gameplay. Und das in einer Industrie, in der selbst an kleineren Projekten gerne einmal Dutzende Spezialisten arbeiten. Eine große Leistung.

Spielwiese für ein Allroundtalent

Seifried trägt Vollbart, Hornbrille und spricht gern von seinem Projekt. Ursprünglich wollte er keine Spiele machen; nach dem Studium des Informationsdesigns an der FH Joanneum hätte es eher Richtung Medienkunst gehen sollen. Doch die Spieleentwicklung ist die einzige Branche, in der man so vielfältig kreativ sein kann: Geschichten erzählen, Grafik und Musik machen und alles in Codes gießen. Schöne Produkte, mit denen man im Bestfall Millionen erreicht – eine logische Spielwiese für ein Allroundtalent.

Schon 2005 spielen über 600.000 Menschen Seifrieds kleines Flash-Spiel Drifts, das er auf seiner eigenen Seite bereitstellt. Es ist die Zeit der Casual-Revolution, in der kleine Flash-Spiele auf Internetportalen wie Shockwave große Erfolge feiern. "Ein Freund hat damals gesagt: Das kannst du sicher irgendwie auch zu Geld machen."

Haarscharf am Hit vorbei

So gründet Seifried in Wien gemeinsam mit Markus Mundjar 2007 das Start-up Bobblebrook, ein Studio für die Entwicklung interaktiver Anwendungen. Kommerzielle Werbeaufträge sorgen für Einkommen, doch die "Herzensangelegenheit", daneben Flash-Spiele zu entwickeln und sie über Lizenzierung an große Portale zu vermarkten, kommt dabei zu kurz. Auch der Markt ändert sich rasant – und mit dem Siegeszug der Smartphones verliert der Flashgames-Markt abrupt an Bedeutung.

Haarscharf schrammen Seifried und Mundjar in diesen Jahren am großen Erfolg vorbei: Die iOS-Umsetzung ihres Spiels Coign of Vantage mit Hitpotenzial zieht sich wegen anderer Auftragsarbeiten in die Länge. Bis ein anderer schneller ist: Unter dem Namen Blueprint 3D landet ein ukrainischer Entwickler mit exakt demselben Spielprinzip einen kommerziellen Riesenerfolg in Apples AppStore. "Das Bitterste war, dass uns dann in diversen Foren vorgeworfen wurde, wir wären der Klon", ärgert sich Seifried. Mitte 2012 schließt Bobblebrook die Pforten. Das Ende ist aber vor allem ein Neuanfang. "Nach all den Werbeaufträgen hatte ich Lust darauf, keine Kompromisse mehr einzugehen. Ich wollte etwas machen, wo mir keiner reinredet. Und ich wusste: Ich will das alles ganz allein schaffen."

Auf eigene Faust

Seifried arbeitet zunächst zusätzlich zu seinem Job beim Wiener Entwickler Game Gestalt nebenbei an seinem Projekt, reduziert seine Job-Arbeitszeit aber immer weiter. Ab Mitte 2013 konzentriert er sich nur mehr auf sein Spiel, arbeitet Vollzeit daran, von seiner Wohnung aus. Neben sporadischen Lehraufträgen an FHs versinkt er ganz in seinem Spiel. Bis Mitte 2014 steckt Seifried über 3500 Stunden Arbeitszeit in Ace Ferrara. Es waren, so sagt er heute strahlend, die bisher schönsten Jahre seines Lebens. Ein "unglaublich aufregendes Adrenalinwochenende" lang feiert er den AppStore-Launch seines Spiels am 21. August 2014 mit Kollegen und Freunden und verfolgt die positiven Besprechungen. Die Verkaufszahlen will er erst nach einigen Tagen sehen.

Doch in den so wichtigen ersten Tagen, so zeigt sich später, spielt der bunte Shooter nur "einige tausend Euro" ein. "Ich dachte einen Monat lang: Die Lawine kann noch kommen, vielleicht kommt ein großes Feature auf dem AppStore – alles kann noch passieren. Aber dann kam das Gefühl: So – das wird nix." Es ist eine große Enttäuschung.

Ausgeträumt

Seifried sagt, er hätte gern noch einmal ein, zwei Jahre in das Spiel investiert, eine Erweiterung gemacht, die Welt weiter ausgearbeitet. Bei diesen Verkaufszahlen: unmöglich. Der große, von tausenden geträumte Traum, mit dem eigenen Spiel als Indie den Durchbruch zu schaffen, vielleicht sogar, wie die Großen, richtig viel Geld zu verdienen, ist ausgeträumt.

"Ich war erschöpft und natürlich auch traurig. Aber ich bin immer noch stolz auf das Spiel – und es hat mir geholfen, im Anschluss eine Arbeit zu finden", sagt Seifried heute. Die großen Wiener Spieleentwickler, bei denen sich Seifried ab Dezember 2014 bewirbt, sehen das Spiel als beeindruckende Visitenkarte. Nach kurzer Suche heuert er beim Wiener Studio Socialspiel an. Dort arbeitet er seitdem in Vollzeit – und hat das Glück, sich nicht ganz eng auf einen einzigen Arbeitsbereich spezialisieren zu müssen. Seifrieds Allroundtalent ist auch hier gefragt.

Lohnendes Verlustgeschäft

Wie viel Seifried mit "Ace Ferrara", in das er viel Erspartes investierte, verdient hat, will er nicht sagen. Nur so viel: "Es war ein riesiges Verlustgeschäft." Bereut man so ein Abenteuer? "Kein bisschen. Es hat andere Sachen gebracht, Lehraufträge, Vortragsmöglichkeiten. Wenn du in die Industrie willst, ist ein Spiel zu machen heute der einzige Weg. Es müssen ja nicht zwei Jahre sein", sagt er und lacht. "Ich halte es für wichtig, dass man sich eine gewisse Neugierde erhält, geistig in neue Gebiete reingeht. Es ist wichtig, dass man sich Dinge traut, auch wenn man daran scheitert. Auch öffentlich." Verbitterung sieht anders aus. Wie gesagt: Philipp Seifried ist ein glücklicher Mensch. (Rainer Sigl, 30.9.2015)

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