Innsbruck – Kollektive Unwissenheit auf der Anklagebank. Bierflaschen mit Hitlers Konterfei auf dem Etikett standen bei dem einen Beschuldigten jahrelang im Kinderzimmer. Dabei habe er sich nichts gedacht, erklärte der heute 20-Jährige. Was die Zahl "88", die SS-Runen und Hakenkreuze bedeuten, die er in den Schnee gezeichnet und fotografiert sowie an die Wände einer Garage und einer Hütte geschmiert haben soll, jene Symbole, die er, wie einer seiner Freunde aussagte, auch ständig irgendwo einritze und hinkritzle? Wisse er nicht so genau.

Der Prozess gegen zwei Tiroler wegen Wiederbetätigung am Innsbrucker Landesgericht am Donnerstag verlief für alle Beteiligten mühsam. "Das ist wirklich wenig, was sie wissen", stellte der Richter nach kürzester Zeit fest. Das Einzige, was beide Angeklagten beteuerten: Mit rechter Ideologie hätten sie nichts am Hut.

Angeklagter eigentlich "eher links"

Warum der eine sich dann für seinen Laptop selbst den Benutzernamen "Nazi" gab? Konnte der junge Mann nicht erklären. Ihm wurde darüber hinaus vorgeworfen, eine selbstgebaute Rohrbombe vor einer Polizeistation in Tirol gezündet zu haben. Dass eine solche Menschen hätte verletzen können? Sei ihm nicht klar gewesen.

Sein ebenfalls der Verbreitung von NS-Gedankengut beschuldigter "Kollege" versuchte, seine Unbedarftheit betreffend sämtliche Nazisymbolik mit einem in solchen Fällen recht ungewöhnlichen Geständnis zu belegen: Er sei nämlich eigentlich "eher links". Klar zu erkennen an seiner Amnesty-International-Mitgliedschaft und der Beinahe-Beteiligung am Projekt seiner Freundin, die Marokkanern beim Deutschlernen helfe. Der Verteidiger des jungen Mannes hielt "eine Watschn" und Sozialdienst für eine angemessene Strafe, "Nazi ist mein Mandant aber sicher keiner", ließ er wissen.

Widersprüchliche Beweisaussagen

Der Anwalt des anderen Angeklagten erklärte indessen, das Bildungssystem sei schuld an der mangelnden Geschichtskenntnis: In der Schule hätten die beiden Tiroler über die NS-Zeit kaum etwas gelernt. Immer wieder verstrickten sich sowohl die Beschuldigten als auch deren als Zeugen geladene Freunde während der Verhandlung in widersprüchlichen Beweisaussagen.

"Es ist ein Wahnsinn, was uns heute hier präsentiert wird", kommentierte Staatsanwältin Veronika Breithüber das Spektakel der vermeintlich Ahnungslosen. Schlussendlich endete der Prozess mit zwei Schuldsprüchen. Der 20-jährige Erstangeklagte erhielt 18 Monate und der 21-jährige Zweitangeklagte sechs Monate jeweils bedingte Haft. Die Urteile waren vorerst nicht rechtskräftig. (Katharina Mittelstaedt, 25.9.2015)