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Gelb, Rot und Blau: Nicht nur die Farben des katalanischen Fußballklubs FC Barcelona, sondern auch jene der Regionalflagge, die nach dem Willen vieler zur Nationalflagge werden soll.

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Kataloniens Regionalpremier Artur Mas droht mit dem Bruch mit Spanien.

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Wer Spaniens Presse liest, bekommt den Eindruck, das Land auf der Iberischen Halbinsel lebe im Ausnahmezustand. Valencias Erzbischof ruft zum Gebet für die Einheit Spaniens; der Zentralbankchef warnt vor einer Beschränkung des Bargeldumlaufs; Unternehmer treffen sich in Barcelona mit Geheimdienstlern.

Und dann lässt Premier Mariano Rajoy im Eilverfahren die Kompetenzen des Verfassungsgerichtes ändern. Dieses soll künftig Regionalregierungen des Amtes entheben können. Der Grund für die ganze Aufregung: Am Sonntag werden in Katalonien ein neues Regionalparlament und eine neue Autonomieregierung gewählt. Doch es ist dieses Mal kein normaler Urnengang: Es geht um die Unabhängigkeit der reichsten Region.

Bündnis "Gemeinsam für das Ja"

Die Liste "Gemeinsam für das Ja" – auf der neben den regierenden konservativen Nationalisten die bisher regierende Demokratische Konvergenz Kataloniens (CDC), Politiker der separatistische Republikanische Linke Kataloniens (ERC) sowie viele bekannte Persönlichkeiten aus Zivilgesellschaft, Kultur und Sport vertreten sind – hat nur einen Programmpunkt: die Unabhängigkeit Kataloniens. Sie streben die absolute Mehrheit im Parlament an, um dann die Loslösung von Spanien umzusetzen.

Der Urnengang wird damit zu einer Art Referendum nach schottischem Vorbild, das so nie stattfinden konnte, da die Verfassung das nicht zulässt und die Regierung in Madrid dies auch nicht ändern will. Im Notfall solle der Bruch mit Spanien auch einseitig vollzogen werden, so der katalanische Regierungschef Artur Mas. Zwar strebe er eine Verhandlungslösung an, doch wenn sich Madrid weiter stur stelle, werde Katalonien gehen und auch nicht seinen Teil an den Staatsschulden begleichen.

Knapper Sieg der Separatisten erwartet

Umfragen gehen von einem knappen Sieg der Separatisten aus. "Gemeinsam für das Ja" wird zwar kaum die Hälfte der Parlamentssitze erreichen, doch können Mas und die Seinigen auf die Unterstützung einer weiteren separatistischen Liste, der linksradikalen CUP, setzen.

Dem Block der Separatisten stehen der in Madrid regierende Partido Popular (PP), der katalanische Ableger des sozialistischen PSOE und die vor neun Jahren als antinationalistische Partei entstandene Ciudadanos gegenüber.

"Eingeborene zeigen Stinkefinger!"

Katalonien würde mit der Unabhängigkeit auch die EU und den Euro verlassen, lautet eines der Drohargumente, die Regierungschef Rajoy und sein Zentralbankchef immer wieder anführen. Die Wirtschaft Kataloniens, die Renten, die Bankguthaben, einfach alles stünde auf dem Spiel. Auch der Chef der Sozialisten, Pedro Sánchez, warnt mit einer überdimensionalen Spanienfahne auf der Bühne seine Anhänger vor dem Ruin für ganz Spanien.

Die Emotionen schlagen hoch. Der Katalane Mas weiß dies geschickt zu nutzen. Seine gesamte Argumentation lebt vom ständigen Konflikt mit Madrid. "Große Chefs kommen in katalanisches Reservat, um zu sagen, wie wählen", imitiert der Nationalist auf einer seiner Wahlkampfveranstaltungen Indianer-Kauderwelsch. "Aber Eingeborene zeigen Stinkefinger!", fügte er unter Applaus hinzu.

Soziale Misere vor Augen geführt

Nur eine Liste möchte den Krieg um die Fahnen nicht mitmachen: "Katalonien, ja man kann" (CQSEP) – ein Bündnis rund um die Protestpartei Podemos sowie regionale Postkommunisten und Grüne. Deren Spitzenkandidat Lluís Rabell redet nicht von der Unabhängigkeit, sondern von den sozialen Zuständen in Katalonien, wo Mas die gleiche Politik betrieben hat wie Rajoy in Madrid. "Jede vierte Zwangsräumung von Wohnungen findet in Katalonien statt, 21 Prozent der Katalanen leben an oder unter der Armutsgrenze."

Er wirft Mas vor, sich hinter Fahnen zu verstecken, um nicht für seine traurige Bilanz zur Rechenschaft gezogen zu werden. Ob Bankenrettung oder die Lockerung des Kündigungsschutzes: Die Parteigänger Rajoys und Mas' stemmten die wichtigsten Maßnahmen gemeinsam durchs spanische Parlament. Rabell wird bei seinen Auftritten von Podemos-Chef Pablo Iglesias unterstützt. Dieser tritt für eine Volksabstimmung in Katalonien über die Unabhängigkeit ein, will aber gleichzeitig "dass die Katalanen bleiben". CQSEP hofft auf am Sonntag auf den zweiten Platz. (Reiner Wandler aus Madrid, 25.9.2015)