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Historischer Handschlag: Kolumbiens Präsident Santos (li.), Kubas Staatschef Raúl Castro und Farc-Chef Timochenko (re.)

Foto: APA / EPA / Alejandro Ernesto

Bogotá/Puebla – Drei Jahre nach Beginn der Verhandlungen ist der Frieden in Kolumbien in greifbare Nähe gerückt. Bis zum 23. März wollen beide Seiten das Abkommen unter Dach und Fach haben, verkündete Präsident Juan Manuel Santos am Mittwoch in Havanna gemeinsam mit dem Anführer der linken Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) Timoleón Jiménez alias Timochenko und Kubas Staatschef Raúl Castro, der als Garant fungiert.

Die Regierung und die Farc einigten sich außerdem auf eine Sonderjustiz, um den Opfern Gerechtigkeit zu verschaffen. Das war einer der heikelsten Punkte der Verhandlungen, in denen es außerdem um die Landfrage, um Drogenhandel und um politische Beteiligung der Farc ging.

Entscheidende Verhandlungsphase im Juli

Santos, der zum ersten Mal seit Beginn der Gespräche persönlich nach Havanna reiste, sprach von einem "positiven Wendepunkt". "In sechs Monaten verabschieden wir uns definitiv vom längsten bewaffneten Konflikt Amerikas." Im über 50 Jahre dauernden Bürgerkrieg starben 220.000 Menschen, sechs Millionen wurden vertrieben. Nach einigen Rückschlägen waren die Verhandlungen im Juli in eine entscheidende Phase getreten. Eine Waffenruhe hatte Kolumbien seither die friedlichsten Monate seit Beginn des Konflikts beschert. US-Außenminister John Kerry beglückwünschte die Verhandlungspartner zu diesem "historischen Fortschritt".

In Kolumbien gab es unterschiedliche Reaktionen. Von einem "wichtigen Schritt auf dem Weg zur Aussöhnung" sprach der Vizepräsident der Bischofskonferenz Oscar Urbina. Auch Unternehmer begrüßten den Schritt und versprachen ihre Unterstützung. Der Konfliktexperte León Valencia bezeichnete die Vereinbarung als "seriös, vernünftig und ausgewogen". Aus rechten Kreisen kam hingegen Kritik. Expräsidentschaftskandidat Oscar Zuluaga twitterte, die Agenda in Havanna sei von den Farc und Venezuela manipuliert. Der Militärexperte Alfredo Rangel sprach von "verschleierter Straffreiheit für Terroristen". Die Kritik richtet sich gegen die Vereinbarung zur juristischen Aufarbeitung des Konflikts. Dabei wird Kolumbien neue Wege beschreiten. Man will über Wahrheitskommissionen und Amnestiegesetze hinausgehen, die die Diktaturen Südamerikas und die Bürgerkriege Mittelamerikas beendeten und bis heute offene Wunden in den Gesellschaften hinterlassen haben.

Haft in "Sonderkonditionen"

In Kolumbien sollen eigene Gerichte für die Aufarbeitung der Bürgerkriegsverbrechen geschaffen werden, an denen einheimische Richter und ausländische Experten vertreten sind. Opferverbände und Menschenrechtsgruppen sollen eingebunden werden. Das Gesetz gilt nicht nur für Guerilleros, sondern für alle direkt und indirekt Beteiligten am Bürgerkrieg, auch die Streitkräfte und die Finanziers der Paramilitärs. Ein Amnestiegesetz und eine Wahrheitskommission für politisch motivierte Verbrechen werde es zwar geben, so der Staatschef, aber viele Delikte könnten auch im Licht des Völkerrechts nicht vergeben werden. Santos erwähnte Folter, Verschwindenlassen, Zwangsrekrutierungen Minderjähriger, sexuelle Verbrechen, Völkermord und Vertreibungen.

Wer seine Beteiligung gesteht und zu Reue und Wiedergutmachung bereit ist, wird mit maximal acht Jahren Haft mit "Sonderkonditionen" bestraft; andernfalls drohen 20 Jahre Haft. Das entspricht dem, was Santos' Vorgänger Álvaro Uribe rechtsextremen Todesschwadronen zugestanden hatte, die zwischen 2003 und 2006 die Waffen niederlegten. Trotzdem sehen manche die Möglichkeit "alternativer Strafen" kritisch. (Sandra Weiss, 24.9.2015)