NETs mit Bakterien aus einem Laborexperiment, photographiert im Rasterelektronenmikroskop

Foto: uni salzburg

Salzburger Zellbiologen haben gemeinsam mit Experten der Salzburger Universitätsklinik als erste den Nachweis erbracht, dass bei der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) ein erst kürzlich entdeckter Entzündungsvorgang, der als "NETose" bezeichnet wird, eine zentrale Rolle spielt. Damit tun sich völlig neue Therapiechancen auf, heißt es von den Forschern.

Bei der NETose werfen Immunzellen Fangnetze zur Zerstörung von Krankheitserregern aus. Diese Netze werden bei der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung jedoch im Übermaß produziert, wie die Salzburger Forscher herausfanden. Die Wissenschaftler schließen daraus, dass dieser Prozess für die fatale Zerstörung der Lungenbläschen bei der COPD eine wesentliche Rolle spielt.

Hauptursache Rauchen

Jeder zehnte Österreicher über 40 Jahren ist von COPD, der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung, betroffen. Und die Zahlen sind im Steigen. Hauptproblem der schweren Erkrankung, die mit chronischem Husten beginnt, ist die Atemnot.

Durch funktionsuntüchtige Lungenbläschen kommt es zu Sauerstoffmangel, der im Extremfall zum Erstickungstod führen kann. Neben genetischen Ursachen sind Umwelteinflüsse für die COPD verantwortlich. Da die Krankheit in der überwiegenden Zahl der Fälle durch Rauchen entsteht, spricht man oft von "Raucherlunge".

Doch was genau passiert bei der COPD im Körper? Wodurch kommt es zu einer überschießenden Entzündungsreaktion und in der Folge zu einem sogenannten Lungenemphysem mit krankhaft überblähten Lungenbläschen und der Zerstörung des Lungengewebes? Diese Fragen waren bisher offen. Eine Antwort könnten nun die Salzburger Forschungen liefern.

Viele körpereigene Werkzeuge

Um den Körper vor Krankheitserregern zu schützen, hat das Immunsystem im Laufe der Evolution viele unterschiedliche Werkzeuge entwickelt. Eines davon haben Wissenschaftler erst im Jahr 2004 entdeckt. Bei Kontakt mit einem Keim werfen bestimmte weiße Blutkörperchen, die sogenannten Neutrophilen Granulozyten, DNA-Netze aus, in denen sich die krankmachenden Eindringlinge verheddern und abgetötet werden. Dafür sorgt ein mit den Netzen ausgeschütteter Giftcocktail von Enzymen und Nukleinsäuren.

In der Fachwelt werden die Netze als "Neutrophil extrazelluar Traps" (neutrophile extrazelluläre Fallen), kurz NETs, bezeichnet. Der Vorgang wird "NETose" genannt. Bisher wurden die aggressiven NETs zum Beispiel bei Rheuma und der zystischen Fibrose nachgewiesen. Jetzt haben die Salzburger Forscher diese Netzwerke extrazellulärer Strukturen erstmals auch bei der COPD festgestellt.

"Die erst vor relativ kurzer Zeit entdeckte Immunabwehr mittels NETs ist ein zweischneidiges Schwert. NETs sind einerseits sehr wichtig für die Bekämpfung von eingedrungenen Keimen. Bei chronischen Entzündungen bleiben die aggressiven NETs aber bestehen, werden sogar vermehrt gebildet und schädigen das körpereigene Gewebe", sagt Zellbiologe Walter Stoiber. Er vergleicht die NETs mit einem Abflussreiniger, der nicht nur die Verstopfung löst, sondern auch die Rohre angreift. "Im Fall der COPD sind die Lungenbläschen die Rohre, die durch einen zu starken Reiniger kaputt werden, quasi als Kollateralschaden".

Neuer Therapieansatz

Bis heute gibt es für die COPD keine Medikamente, um den chronischen Entzündungsprozess in den Griff zu bekommen. Cortison wirkt nur unspezifisch und hat bekanntlich viele Nebenwirkungen. "Mit den NETs ergibt sich möglicherweise ein neuer Therapieansatz, der endlich das Übel an der Wurzel packen könnte", sagt Zellbiologe Michael Studnicka von der Uni Salzburg.

Ein weiteres Ergebnis: Die meisten Raucher unter den Studienteilnehmern hatten vermehrt NETs. Das betraf auch gut ein Drittel der Raucher mit einer noch völlig gesunden Lungenfunktion. Daraus folgt: Diese Raucher sind bereits auf dem Weg, eine COPD zu entwickeln. (red, 25.9.2015)