Man muss mit Assad reden, mit Assad beim Kampf gegen den "Islamischen Staat" kooperieren, Assad wird in einer Übergangslösung für Syrien eine Rolle spielen – Assad ist ein Kriegsverbrecher, die meisten Flüchtlinge aus Syrien fliehen vor Assad, solange es Assad gibt, wird Syrien ein Ziel für Jihadisten sein: Worum es bei der aktuellen widersprüchlichen Diskussion, die vor der Uno-Vollversammlung an Fahrt gewinnt, eigentlich geht, ist die Festlegung der Parameter für Genf 3. Ein diplomatischer Neustart für Syrien-Verhandlungen liegt in der Luft. Und wie bei Genf 2 wird Bashar al-Assad noch immer da sein – und seine Vertreter werden mit am Tisch sitzen.
Bei Genf 2 konnten sich die Streitparteien nicht einigen, worüber sie überhaupt verhandeln: An Assads zukünftiger Rolle zerbrachen nicht nur die Gespräche, sondern auch der amerikanisch-russische Konsens, dass es eine diplomatische Lösung geben müsse. Doch es gibt einen Unterschied zu Anfang 2014, als Genf 2 stattfand: Damals erschien der "Islamische Staat" (IS) erst am Horizont. Ein großer Einschnitt in die politische Linie der USA fand bereits im Sommer 2014 statt, als sie in Syrien ihre Militärschläge begannen: nicht gegen Assad, wie es noch 2013 wahrscheinlich war, sondern gegen den IS.
Mit diesen Widersprüchen, die nie faktisch, sondern nur verbal aufgelöst wurden – zuerst kommt der IS, dann Assad –, hat man ganz gut gelebt: bis Russland diesen Sommer begann, sich selbst und damit auch Assad ins diplomatische Spiel zu bringen. Moskau versuchte, den Assad-feindlichen Staaten die Idee einer ganz großen Anti-Terror-Allianz schmackhaft zu machen: kein exklusiver Klub mit beschränkter Wirkung wie die Koalition, die die USA anführen, die noch dazu mit der Idee, eine Truppe "moderater" Rebellen für ihren Zweck aufzustellen, scheiterten.
Als Russland damit nicht weiterkam, begann es, Fakten am Boden zu schaffen: Angesichts des Hochfahrens des russischen militärischen Engagements in Syrien, von dem auch Assad profitiert – der plötzlich wie nach Skript vermehrt den IS attackiert -, ist die Angst vor einer neuen Konfliktebene groß. Diese Angst hat dazu geführt, dass zumindest militärtaktische Gespräche geführt werden, um die Gefahr von "Unfällen" im immer volleren Operationstheater zu verringern.
Russland gibt dabei beruhigende Töne von sich: etwa in Richtung Israel, wo man unter anderem befürchtet, dass neue Waffen nicht nur an Assad, sondern auch an die libanesische Hisbollah gehen könnten. Die Botschaft Wladimir Putins vor seinem Treffen mit Präsident Barack Obama am Montag ist: Wir wollen im Grunde alle dasselbe, die Jihadisten bekämpfen.
Nur eben im Fall Russlands mit Assad im Schlepptau. Und da kommt Bewegung in die andere Front. Mit Ausnahme Frankreichs – wo sich zumindest die Präsidentschaft noch eng an die Position Saudi-Arabiens hält – mehren sich die europäischen Stimmen, zuletzt jene der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, die zu "Transition mit Assad, wenngleich keine Zukunft mit ihm" einschwenken.
Sogar der türkische Präsident Tayyip Erdogan hat zuletzt signalisiert, dass er mit dieser Formel leben könnte. In den USA hat sich Außenminister John Kerry etwas bewegt, was man nicht vorschnell als US-Richtungswechsel lesen sollte. Aber es tut sich etwas, und nach der Uno-Vollversammlung wird man mehr wissen.
(Gudrun Harrer, 26.9.2015)